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■ Das PortraitGiovanni Spadolini

Der „Dicke“ Foto: Reuter

Als die Agenturen 1981 die Nachricht von der Ernennung Giovanni Spadolinis zum italienischen Ministerpräsidenten durchtickerten, fragten Europas Politiker erstaunt: Giovanni wer? Der „Dicke“, wie er alsbald genannt werden sollte, galt den meisten als unbeschriebenes Blatt – obwohl Auslandskorrespondenten ihn schon lange kannten, schließlich war er mehrere Jahre lang Chefredakteur der meistgelesenen Tageszeitung Corriere della sera gewesen. Auch unter Historikern galt er als großes Forscherkaliber. Doch daß ein Abgeordneter der winzigen Republikanischen Partei zum Regierungschef avancieren könnte, schien so weit hergeholt, daß man sich wirklich die Augen reiben mußte.

Da Spadolinis Ernennung im Juni erfolgte, dachten viele an eines der unzähligen „Badekabinette“, die die Sommerferien über die Amtsgeschäfte führen und dann sang- und klanglos abgelöst werden. Tatsächlich aber richtete sich der notorische Junggeselle immer gemütlicher im Palazzo Chigi, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten, ein. Er blieb dort fast eineinhalb Jahre – für italienische Verhältnisse sehr lange. In seine Amtszeit fielen schwerwiegende Ereignisse: Kurz zuvor waren die Verzeichnisse der Geheimloge „Propaganda 2“ bekanntgeworden. Sie gaben Einblick in den Filz höchster Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Geheimdiensten, Militärs und Presse. Spadolinis Vorgänger Arnaldo Forlani hatte wegen des Versuchs einer Vertuschung zurücktreten müssen. Im April 1982 ermordete die sizilianische Mafia zuerst den kommunistischen Abgeordneten Pio La Torre, danach den eiligst auf die Insel entsandten Carabinieri-General und Terrorismusbekämpfer Carlo Alberto Della Chiesa: Innerhalb weniger Tage paukte Spadolini danach ein Antimafiagesetz durch, das bis heute gilt.

Danach zeigten sich jedoch erste Schwächen des Polit-Quereinsteigers. Erschrocken über seinen eigenen Mut, begann Spadolini zu zaudern, fiel in seiner eigenen Partei immer mehr ab. Ende 1982 kam das Aus. Bei Neuwahlen kam die Partei nur auf fünf Prozent. Der Sozialist Bettino Craxi verdrängte ihn aus dem Amt.

Ein unheilbares Krebsleiden raffte den 69jährigen am Donnerstag nachmittag in Rom dahin. Die letzten von ihm verfaßten Artikel waren eine glühende Verteidigung der „1. Republik“ Italiens und ein letztes Aufbäumen gegen die von Berlusconi und Co propagierte „2. Republik“. Werner Raith

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