■ Das Portrait: Astrid Kumbernuss
Vizeeuropameisterin Foto: Reuter
Das Ding wiegt 6 Kilo, ist aus Eisen und unangenehm, also – nichts wie weg damit. Am besten gaaanz weit: z.B. 19,49 m. Plopp! 12 cm zuwenig. Flop: nur Zweitbeste. Astrid Kumbernuss lächelt. So überzeugend wie ein Kind, das unterm Weihnachtsbaume statt der bestellten Elektro-Eisenbahn mit einer Barbiepuppe vorliebnehmen muß. Silber! „Ich wollte gewinnen.“ Nix war's. Und das „Muster an Zuverlässigkeit“ (Trainer Dieter Kollark), das in seinem erfolgreichsten Jahr (1989) aller Welt verkündete, „mich beeindruckt, wenn Menschen etwas leisten“, muß sich brav im Beteuern geänderter Zielvorgaben üben: Sie sei auch als Zweite glücklich, versicherte die entthronte Europameisterin. Leiden macht stark. Der schmerzvolle Reifeprozeß (Kreuzbandriß im Olympiajahr 1992) hat der Unterlegenen immerhin schon zur horizonterweiternden Erkenntnis verholfen: „Früher hatte ich nur Leistungssport im Kopf. Das war engstirnig.“
Indes, die Qual von Helsinki nähren mehrere Quellen. Nicht nur Wiktoria Pawlysch (Ukraine), die der Astrid ihr Lieblingsedelmetall weggeschnappt hat. Nein, da ist dieses Magazin, das ihr wieder zu schaffen macht. Hatte der Spiegel sich zuletzt 1992 über die „Liebschaft“ zwischen Trainer Kollark (48) und Athletin (22) ob des großen Altersunterschiedes mokiert, darf sich nun der stillgelegte, einst getunte Lauf-Turbo Katrin Krabbe in der Leserbriefspalte über eine Stasi-Mitarbeit ihres Lebensgefährten auslassen. Was nützt es, daß Frank Henschel, jener Mensch, der für den Leistungssport zuständig ist, erkannt zu haben glaubt: „Die Krabbe hat ein Rad ab“? Gar nichts. Der Schmerz sitzt tiefer. Focus- artige viele schöne Schaubilder im Spiegel illustrieren, was Astrid Kumbernuss ohnehin an ihrer eigenen Formkurve ablesen kann (1990: 20,77 m) – die Wurfdisziplinen sind zwangsläufig auf dem absteigenden Ast. Der Kugelstoß-Weltrekord der Frauen liegt seit 7 Jahren bei 22,63 m, unberührt wie eine Jungfrau. Und dennoch hafte den Disziplinen nach wie vor der „Ruf des Unsauberen“ an. Nicht einmal Diskus- Weltmeister Lars Riedel „in seiner körperlichen Formvollendung“ (Spiegel) tauge als Held für die Werbewirtschaft. Bitte nicht weinen, Frau Kumbernuss! Derart eitle Sponsorengelüste hat sich Leidensgefährtin Iris Plotzitzka, EM-Fünfte in Split, doch schon lange abgeschminkt: „Wir schauen schrecklich aus, wer soll denn mit uns werben?“ coh
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