■ Das Portrait: Wole Soyinka
Oluwole („Wole“) Akinwande Soyinka gehört zu den vielseitigsten Intellektuellen Afrikas: Romancier, Dramatiker, Kritiker, Lehrer, Übersetzer, Schauspieler, Regisseur. Und Politiker. Wie kaum ein anderer afrikanischer Schriftsteller blieb der heute 60jährige seiner Rolle als scharfer Gegner der wechselnden nigerianischen Militärregierungen treu, stand er immer mit einem Bein im Gefängnis – und manchmal auch mit beiden. Am vergangenen Freitag untersagte ihm die Militärjunta von General Sani Abacha die Ausreise und beschlagnahmte am Flughafen Lagos seinen Paß.
Soyinka erhielt 1986 als erster Afrikaner den Nobelpreis für Literatur. Schon als Junge war er bewegt von den Stimmen und Riten seiner Yoruba-Ahnen, aber auch beeindruckt von den höllischen Drohungen und messianischen Verheißungen des Christentums. Diese Spannung prägt seine Romane, seine Dramen – meist grausam realistische Kompositionen voller Symbole und Allegorien. Er glaubt an die Kraft des Mythos, einer zu Unrecht ins Exil geschickten Geistesdimension. Seine Kindheitserinnerungen „Aké – eine Kindheit“ enden mit der Aufnahme in die weiße Grammar-School – und mit der Erkenntnis, daß zur weißen Grammatik auch die Atombombe gehört. Afrika freilich nimmt Soyinka keineswegs nur als Opfer wahr, Nigerias DissidentFoto: Christian Schulz/
Paparazzi
sondern aus einer Distanz der Befremdung über die selbstverschuldeten Lächerlichkeiten und Brutalitäten. Für die Negritude-Lyrik eines Leopold Senghor hat er nur Spott übrig: „Ein Tiger läuft nicht im Wald herum und proklamiert seine Tigritude. Er springt!“
1965 saß Soyinka zum ersten Mal im Gefängnis: Nach Regionalwahlen hatte er im Sender von Ibadan ein Band vertauscht, statt der Siegesrede von Ministerpräsident Akintola ging Soyinkas Stimme, die von Wahlbetrug sprach, über den Äther. Der Spaß brachte ihm drei Monate ein. Ernster war es 1967, als sich der Osten Nigerias als „Biafra“ unabhängig erklärte und die Zentralregierung zum Krieg griff. Soyinka versuchte zu vermitteln. Das Ergebnis: zwei Jahre saß er in Einzelhaft. 1972 erschienen seine Gefängnisaufzeichnungen: „Der Mann ist tot“.
Pausenlos ist seither Soyinka aktiv. Zu aktiv für Nigerias Generäle. Und nur seine weltweite Popularität hindert die ansonsten wenig zimperlichen Militärs an seiner Ermordung. Walter Saller
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