■ Das Portrait: Matoub Lounès
Matoub Lounès hat viele Feinde – sowohl bei den Integristen der „Islamischen Heilsfront“ als auch bei dem Regime in Algier. Von beiden Seiten hat der kabylische Barde immer wieder Drohungen bekommen. Vor einer Woche wurde er in der Stadt Tizi-Ouzou entführt, die seither aus Lautsprechern mit seinen Liedern beschallt wird. Die Autoren des Verbrechens sind unbekannt. Doch in der Kabylei, deren populärste Stimme „Matoub“ ist, stehen die Zeichen auf Sturm.
Der 38jährige „Matoub“ begann seine musikalische Karriere in den siebziger Jahren als Pendler zwischen beiden Rändern des Mittelmeers. Er spielte für kabylische Immigrantenzirkel in Frankreich und für kabylische Dorfgemeinschaften in Algerien. An die dreißig Platten und Kassetten hat er veröffentlicht – mit einem Repertoire, das von traditionellen Romanzen über Protestlieder bis hin zu „kabylischem Blues“ reicht.
Sein politisches Coming- out hatte Matoub 1980 in dem „politischen Frühling der Berber“, zu denen auch die Kabylen gehören. Erstmals seit der Unabhängigkeit gingen damals die Berber – zwanzig Prozent der algerischen Bevölkerung – gegen ihre Diskriminierung auf die Barrikaden. Matoub und andere Intellektuelle gründeten in jenem Frühling die „Berberische Kulturbewegung“ (MCB), die von Algier die Anerkennung des Tamazight (die Sprache der Berber) und ihre Einführung in Kabylischer SängerFoto: rtr
Schulen und Universitäten fordert. Sein Einsatz für die Demokratie verwandelte Matoubs Konzerte in politische Veranstaltungen – und ihn selbst in einen Gegner des Regimes.
„Ich bin kein Araber und ich bin kein Moslem“, sagt Matoub und provoziert so zugleich das Regime als auch die „Heilsfront“, aus deren blutigem Konflikt sich seine Heimatregion lange heraushalten konnte.
Doch die „Berberische Kulturbewegung“ ist gespalten: Ein Teil – zu dem auch Matoub gehört – setzt weiterhin auf schrittweise Reformen. Die anderen rufen nach radikalen Lösungen. Seit Matoubs Entführung mehren sich in diesem Lager die Rufe nach bewaffnetem Ausstand. Freunde Matoubs befürchten, daß damit das Ziel des Attentats erreicht sein könnte: Zu einem Zeitpunkt, wo sich das Regime in Algier und der gemäßigte Flügel der „Heilsfront“ annähern, könnte es zu einer gewaltsamen Zuspitzung in der Kabylei kommen. Dorothea Hahn
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