■ Das Portrait: Astrid Lindgren
1944 gewinnt eine unbekannte Hausfrau den zweiten Preis in einem Wettbewerb um das beste Mädchenbuch, ausgeschrieben vom schwedischen Kinderbuchverlag Rabén & Sjögren. „Britt- Mari lättar sitt hjärta“ („Britt-Mari erleichtert ihr Herz“) ist den Zeiten angepaßt, wie auch in der Wettbewerbsausschreibung deutlich wurde: Es galt, „die Liebe zu Heim und Familie sowie Verantwortungsgefühl im Verhältnis zum anderen Geschlecht“ zu bestärken. Nichts ist in diesem Anpassungsbuch zu spüren von dem Dynamit, das im späteren Werk der Autorin steckte: Astrid Lindgren.
Dabei war die Geschichte vom weltbesten wilden Mädchen damals schon entstanden. Ihrer Tochter Karin hatte Lindgren sie 1941 erzählt, und diese hatte auch den Namen erfunden: Pippi Langstrumpf. Ein Jahr später erschien eine frisierte Version der ursprünglichen Nonsens-Pippi, und auch diese war noch wild und unabhängig genug, ihre Umwelt herauszufordern und die geheimsten Kinderträume zu erfüllen. Bis zum Beweis des Gegenteils wird „Pippi Langstrumpf“ das schwedische Kinderbuch des Jahrhunderts sein. – Kinderbuch? Ist es als subversive Stoffsammlung nicht vielmehr eine Speerspitze gegen Regeln, Konventionen und Unterdrückung? Als pädagogischer Leitfaden ebenfalls wärmstens zu empfehlen: „Lotta“ und die anderen aus der Krachmacherstraße.
Pippis Mutter Foto: Keystone
Parallel zu Pippi werden in schneller Folge die anderen Figuren geboren, die ihren Hintergrund in der ländlichen Idylle Smålands und Astrid Lindgrens eigener Kindheit haben: Die Bullerbü-Kinder, Rasmus und Michel aus Lönneberga. 1954 erscheint „Mio mein Mio“, ihr künstlerischer Durchbruch. Mit ihrer ganzen magischen Kraft bricht die Phantasie in die Wirklichkeit ein: ein Kampf gegen Erstickung und Versteinerung, die Wiederentdeckung der Märchenform. Und darüber hinaus: Denn auf die „Brüder Löwenherz“ folgte „Ronja Räubertochter“, wo gut und böse nicht mehr fein säuberlich getrennt sind wie im Märchen, sondern miteinander verquickt werden. Die Kinder verkörpern die Vernunft, die Erwachsenen (Männer) führen sich wie Narren auf.
Gestern wurde Astrid Lindgren der Ehrenpreis der Right Livelihood Stiftung, auch „Alternativer Nobelpreis“ genannt, verliehen. Für ihren „lebenslangen Kampf für die Rechte der Kinder, ihre Bedürfnisse nach Liebe und Respektierung ihrer Persönlichkeit“. Reinhard Wolff
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