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■ Das PortraitHans Kollhoff

Die wohl steilste Karriere im Berliner Architektur-Kartell hat in den letzten Jahren Hans Kollhoff gemacht. Vom moderaten Architekten einer sogenannten „Zweiten Moderne“ mit städtischen Konzepten für die ansonsten eher provinzelle IBA-Ästhetik hat er sich seit dem Fall der Mauer zum lärmenden Baumeister gemausert, der mit verbalen und baulichen Kraftausdrücken durchs Land zieht. Im Chor mit seinen konservativen Standesgenossen, Vittorio Magnago Lampugnani oder Josef Paul Kleihues etwa, preist er den Rückwärtsgang in der Architekturgeschichte.

Masse, Pathos, Schwere, Häuser wie Felsen und Städte wie Festungen sind der Stoff, aus dem Hans Kollhoff seine Pläne und Bauten formt. Kollegen, die mit Stahl und Glas bauen, mit Leichtigkeit und Transparenz an ihren Gebäuden feilen, beschimpfte der störrische Baumeister schon mal als „Fliesen- und Badezimmerarchitekten“, die mit der „Silikonspritze durch ihre Bauwerke rennen“, um die luftigen Fassaden abzudichten, statt Stein auf Stein zu setzen.

Schaut man sich die jüngeren Bauten und Wettbewerbsarbeiten des Berliner Architekten an, wird deutlich, was Hans Kollhoff liebt: Sein Mini-Manhattan für den Alexanderplatz und Entwurf Neues Museum auf der Museumsinsel lassen den Hauch eines steinernen Klassizismus spüren. Die Bauten bilden feste Steinblöcke und stehen stramm an der Straße.

Schwerer Fall Foto: Marco Limberg/Xpress

Erschienen seine großen Wohnblocks aus der Berliner IBA-Zeit schon streng, aber noch offen und voller Abwechslung, ist davon nur die Strenge gebieben. Für die aggressiven steinernen Klötze mit der Ikonographie der 30er Jahre, für ihren „wüsten Gestus“ sowie ihren monotonen Charakter hat Heinrich Klotz, früherer Direktor des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, nur noch die Bezeichnung „faschistoid“ übrig.

Daß Kolhoff auch anders kann, wenn er losgelöst von den erwähnten Kollegen und nicht als treuer Diener preußischer Bautraditionen agiert – ohne deren Erfüllung man in Berlin derzeit nichts werden kann –, zeigen andere Bauten. Außerhalb des Hauptstadtgebimmels vollzieht sich die wundersame Wandlung des Hans Kollhoff zum Leichtbaumeister. Seine spielerische Kindertagesstätte in Frankfurt/Main oder das Wohnhaus mit Glaswand sind Chiffren einer offenen Architektur. So sehr kann die Umgebung verändern helfen. Kollhoff, nur ein Opportunist in schlechter Gesellschaft? Rolf Lautenschläger

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