■ Das Portrait: John Osborne
Zorniger DramatikerFoto: Ullstein
Ausbruch aus spießigem Kleinbürgertum in die Freiheit des Geistes war schon immer eine zentrale Obsession englischer Dichter. Der Dramatiker John Osborne ist da nicht nur keine Ausnahme – mit seinem Thaterstück Look Back in Anger (Blick zurück im Zorn) schwang er sich 1956 für kurze Zeit sogar zum frühen Helden eines ersten Frühlings britischer Kulturanarchie auf. Als Tirade gegen Elitentum und Empire-Nostalgie machte es Furore und Skandal zugleich. Doch als durchaus konventionell angelegtes Ehedrama bleibt es dem Kanon treu. Der Rebell, der die Formen nicht sprengen will – das ist John Osborne, der jetzt am Heiligabend im Alter von 65 Jahren gestorben ist.
Osborne war der erste der Reihe „zorniger junger Männer“, die davon lebten, daß das von ihnen verachtete Establishment ihnen Raum gab. Daß sie Männer waren, könnte man als Nachteil sehen, denn auch in Look Back in Anger dominiert ein extrem konventionelles Frauenbild: Die Ehefrau bügelt Hemden, der zornige Mann wälzt sich im Sessel mit dem Feuilleton der Sonntagszeitung, was wohl leider nicht einmal ironisch gemeint war. Die späten 50er Jahre waren eben noch nicht die Zeit für mehr als intellektuelle Kritik am Althergebrachten. Dafür brauchte es die Swinging Sixties – eine Ära, in der Osborne weniger durch Theaterstücke als durch Ehescheidungen auf sich aufmerksam machte. Und es brauchte die düsteren Achtziger, in der Margaret Thatcher die ständischen Werte des alten Englands zum Verdampfen brachte, damit Osborne begann, autobiographisch die eigenen kleinbürgerlichen Hintergründe mit allen Problemen des Selbstwertgefühls öffentlich anzusprechen – und damit eine wichtige Diskussion um Homosexualität in der britischen Kultur anzuzetteln.
Die zornige Jugend von 1956, die im zweiten Weltkrieg groß geworden war und in der nachfolgenden Restauration der Vorkriegswerte erstickte, war in den 80ern aber bereits selber eine von Umwälzungen bedrohte Gesellschaftsschicht. Osborne, Sohn eines Reklamemalers und einer Barfrau, Privatschüler und gescheiterter Schauspieler, kurzlebig berühmter Dramatiker und Rebell, ist Aushängeschild einer Generation, die das Vergehen ihrer eigenen Erfolge miterleben mußte. Bei seinem Tod war Osborne nicht mehr zornig, jung und berühmt, sondern resigniert, alt und unbekannt. Die Jugend von heute hat andere Helden. Dominic Johnson
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