■ Das Portrait: Fred Perry
In der britischen Tenniswelt wirkte sein Name wie Salz in offenen Wunden: Fred Perry war die lebende Erinnerung daran, daß Großbritannien im Männertennis seit fast 60 Jahren keine Rolle spielt.
Ursprünglich war Perry Tischtennisspieler. 1929 wurde er in dieser Sportart sogar Weltmeister. Zum Tennis kam er durch Zufall: „Er ging eines Tages in den Park und sah ein ihm unbekanntes Spiel“, erinnert sich Bunny Austin, der in den dreißiger Jahren mit Perry im Davis-Cup-Team stand, „er fand heraus, daß man es Tennis nannte, besorgte sich einen Schläger und spielte genauso, wie er Tischtennis gespielt hatte.“ Höchst erfolgreich: 1933 gewann er seinen ersten großen Titel bei den US Open Championships.
Die größten Siege feierte er jedoch beim Turnier in Wimbledon, das er dreimal hintereinander gewann – zuletzt 1936 gegen Gottfried von Cramm. In weniger als einer Stunde gewann Perry mit 6:1, 6:1 und 6:0. Der Schiedsrichter sagte danach an: „Ich bin gebeten worden, ihnen mitzuteilen, daß Baron von Cramm sich im ersten Spiel eine Oberschenkelzerrung zugezogen hat und es ihm leid tut, daß er nicht besser spielen konnte.“ Das englische Publikum hatte sich mucksmäuschenstill verhalten, nachdem die Verletzung offensichtlich geworden war, und auch bei den gelungensten Schlägen Perrys nicht mehr applaudiert.
Bei der High Snobiety im englischen Tennisverband bekam Perry kein Bein auf die Erde. Er gehörte der falschen Klasse an, sein Vater war ein Baumwollspinner und obendrein Labour-Abgeordneter. Und auch bei den Adelstiteln ging Perry leer aus, obwohl britische MonarchInnen sonst damit schnell bei der Hand sind, wenn es um Erfolge auf dem Sportplatz geht. Man hatte ihm wohl nicht verziehen, daß er 1936 Profi und drei Jahre später US-Bürger geworden war. In den USA freundete sich Perry mit einer ganzen Reihe Hollywoodstars an, heiratete viermal und baute eine Sportartikelfirma auf.
Der Tennisstar im Jahre 1936 Foto: AP
Erst spät schloß die Wimbledon-Schickeria mit ihrem ungeliebten Champion Frieden. Zum 50. Jubiläum seines ersten Wimbledon-Titels errichtete man 1984 auf dem Gelände eine Statue und benannte ein Eingangstor nach Perry. Er blieb dem Tennis bis zuletzt verbunden: Er war vor zwei Wochen zu den Australian Open nach Melbourne gereist. Dort rutschte er am vergangenen Wochenende in der Hotelbadewanne aus und zog sich Verletzungen zu, an denen er vorgestern abend starb. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen