■ Das Portrait: Stephen Fry
Wenn man dieser Tage in die britische Presse schaut, wird einem zumut wie früher beim Lesen von Salinger-Romanen. Stephen Fry, Schriftsteller, Komödiant, Engländer, ist vier Tage nach der Premiere „Cell Mates“ abgetaucht. Familie und Freunde werden nun langsam etwas unruhig. Er soll zuletzt auf einer Fähre in Richtung Frankreich gesehen worden sein. Fry war verschwunden, nachdem er die „Cell Mates“-Kritiken der Sonntagsblätter gelesen hatte, die ziemlich zernichtend gewesen sein müssen. Die Sache regt offenbar so auf, weil Fry einen gewissen Traditionalismus, „Oxbridge-Intelligenz“, einen Sozialismus und einen zölibatären Homosexualismus an den Tag legte, die so langsam im Entschwinden begriffen sind. Interviewer freuten sich bei ihm über eine angenehme Mischung aus „Champagner und Pantoffeln“, einem vorausrasenden Witz, der anzügliche Kapriolen vorbeisurren läßt wie Starships im Fast- forward-Lauf. Eine Art von gelehrtem Humor übrigens, für den es hierzulande eben einfach keine vergleichbar „hohe Schule“ gibt, jedenfalls keine, die dann auch populär wäre.
Unter den Meldungen pocht der Hochdruck: Der Cambridge-Absolvent spielte ernst und ernster, Macbeth, Oedipus, Volpone (was ihn nicht hinderte, mit 27 Millionär durch sein Musical „Me and My Girl“ zu werden), schrieb eigene Stücke, und sein Roman „The Liar“ steht immer noch auf den Bestsellerlisten. Prick up your ears: Er sei ein „natural uncle“, denken Sie nur, ein „natürlicher Onkel“ für jedermann gewesen, eher Gastgeber als Gast, eher Versorger als Versorgter, einer, der nichts raus läßt, eine Insel. Frys Friends, also Emma Thompson etc., sind zwar witzig & nett zueinander , aber ringeneben auch um die ersten Plätze. Frys Fe EntlaufenFoto: Verleih
ten in Norfolk müssen immer echt glitzy gewesen sein, gepokert hat er und Aids-Benefiz-Sachen gemacht, lange bevor das modern war, schrieb tagsüber an einem Hollywood-Script und stand nachts auf der Bühne, aber eben: nischt gesagt, von sich meine ich, ein auch in diesem Land, dieser Stadt, dieser Zeitung, dieser ... halt! nicht unbekanntes Phänomen.
Die Angriffe gegen ihn kamen vor allem aus der Volxküche und ihrem gesunden Menschenverstand: So beklagte sich die Daily Mail, Fry sei ein „selbstgerechter Sozialist“, die Sun schrieb: „Ich kann Stephen Fry nicht im Fernsehen sehen, ohne hinter ihm nach der Schleimspur zu suchen.“
Fry: mach dir in Frankreich paar schöne Tage. mn
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