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■ Das PortraitNick Leeson

„Ein Spieler, Frauenheld, Charmeur und ein Star“, sagt ein Kollege über den 28jährigen, der die britische Baring's Bank in den Bankrott getrieben hat. Nick Leesons Familie zeichnet ein anderes Bild von ihm: „Wer Nick so gut kennt wie wir“, sagt seine Schwester, „der weiß, daß er nichts Unrechtes getan haben kann.“

Leeson ist in einer Sozialwohnung in Watford im Norden Londons aufgewachsen. Wie seine drei jüngeren Geschwister besuchte er die 270 Jahre alte Parmiters-Schule – Schulmotto: „Kein Mensch ist eine Insel“ –, die traditionell die Banken in der Londoner City mit Nachwuchs versorgt. Ein völlig normaler Schüler, bescheinigt das Parmiters-Kollegium. Allerdings fiel er bei der Abiturprüfung 1985 in Mathematik durch. Im selben Jahr fing er beim Bankhaus Coutts an und wechselte 1987 zur Investmentbank Morgan Stanley. Drei Jahre später ging er zu Baring's.

Dort wurde er mit der Untersuchung von Unregelmäßigkeiten in der Tokioter Niederlassung der Bank betraut – eine Aufgabe, die er so erfolgreich erfüllte, daß drei Angestellte den Hut nehmen mußten. Leeson dagegen wurde befördert und ging 1993 mit seiner Frau Lisa Sims nach Singapur, wo er bald zum Leiter der DeriRuinöser CharmeurFoto: AP

vat-Abteilung aufstieg. Sein Grundeinkommen betrug umgerechnet eine halbe Million Mark im Jahr; hinzu kamen allein 1994 fünf bis zehn Millionen Mark Prämien. Leeson besaß eine Yacht und wohnte für monatlich 10.000 Mark in einem Penthouse im Zentrum Singapurs. „Er konnte Märkte in Bewegung bringen“, sagt ein Kollege bewundernd, „wir haben immer genau aufgepaßt, was er gerade machte.“

Seit Anfang des Jahres machte er immer riskantere Derivats-Geschäfte. Er setzte darauf, daß der Tokioter Börsenindex Nikkei 225 steigen würde, und versuchte außerdem, Preisunterschiede zwischen den Börsen in Osaka und Singapur auszunutzen. Beides ging schief. Leeson erhöhte den Einsatz, um die Verluste auszugleichen. „Wie ein Roulette- Spieler, der fest an sein Glück beim nächsten Spiel glaubt“, sagt ein Wirtschaftsjournalist. Der Baring's-Computer merkte nichts von der nahenden Katastrophe: Leeson hatte das System selbst installiert.

Am Donnerstag verschwand Nick Leeson. Zwei Tage später feierte er – vermutlich in Kuala Lumpur – seinen 28. Geburtstag. Eine ganze Reihe von Bankdirektoren wäre gerne dabeigewesen. Ralf Sotscheck

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