■ Das Portrait: Mafia-Modernisierer
Salvatore Riina Foto: Reuter
Mehr als 150 Morde soll Toto Riina angeordnet, an die 30 eigenhändig begangen haben, viele davon mit besonderer Grausamkeit. Doch das „Verdienst“ des Ein-Meter-sechzig-Mannes aus der Kleinstadt Corleone südlich von Palermo, genannt „der Kurze“, ist weniger seine Skrupellosigkeit als vielmehr die Modernisierung der Cosa Nostra, des bewaffneten Arms der Mafia. Obwohl selbst halber Analphabet, hat Riina aus der früher eher verzopften Schwurgemeinschaft eine hochmoderne Holding des Verbrechens geschmiedet. Sie steigt ein, wo es Profit gibt – legal oder illegal. 500 bis 700 Millionen Mark eigenes Vermögen soll Riina besitzen, sein Clan (der „Corleonesier“) etwa das Dreifache.
Nach Ermittleransicht zählte Riina nicht nur einen ansehnlichen Teil einflußreicher Politiker zu seinen Freunden, darunter den siebenmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, sondern auch viele Geheimdienstler und hohe Polizeibeamte. All das, obwohl er mehr als 20 Jahre, bis zu seiner Verhaftung 1993, im Untergrund lebte.
Mit einem Handstreich hatte er bereits während seines Aufstiegs in die „Cupola“, das Leitungsorgan der sizilianischen Cosa-Nostra- Gruppen, hinderliche Riten und Methoden beseitigt: War es bis dahin absolutes Gesetz, jeden neuen „Uomo d'onore“, wie der rituell mit Blutschwur aufgenommene Novize hieß, allen Mafiamitgliedern bekannt zu machen, so ernannte Riina seine Mitarbeiter geheim; bei den nicht seltenen Mafiakriegen konnten gegnerische Clans so nicht mehr wissen, auf wen sie eigentlich feuern sollten, und auch die Polizei hatte Schwierigkeiten: Aussteiger, die es seit der „Umkehr“ des ersten großen Kronzeugen Tommaso Buscetta 1984 immer häufiger gab, konnten im Grunde nur bis etwa 1980 sicher sagen, wer formal in die Cosa Nostra aufgenommen war.
Riina, dessen Prozeß gestern nun tatsächlich begonnen hat, versucht im Gerichtssaal noch immer präpotent die Verhandlungsführung zu übernehmen. Doch Beobachter glauben auch an ihm Zeichen der Nervosität zu erkennen. Grund dazu hätte er: Erstmals, seit er vor 15 Jahren die unumschränkte Macht im Imperium der sizilianischen Mafia übernommen hatte, wurden in den letzten Monaten mehrere Männer seines Clans ermordet. Normalerweise ist dies ein untrügliches Zeichen, daß seine Feinde den Mann für „reif“ halten – und die Reihe bald auch an ihm ist. Werner Raith
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