■ Das Portrait: Stiller Kassierer
Ständig war er auf der Suche nach Amigos. Gerhard Bletschacher, bis gestern Fraktionschef der CSU im Münchner Rathaus, witterte andauernd Spezlwirtschaft, Kungelei und unlautere Geschäfte. Das Gebiet seiner Nachforschungen grenzte er dabei präzise ein: Die Amigos suchte er ausschließlich in den Reihen der SPD.
Gerhard Bletschacher Foto: dpa
Als der Stern beispielsweise berichtete, daß Peter Gauweiler monatlich 10.000 Mark für die „Verpachtung“ von ehemaligen Mandanten aus seiner Anwaltskanzlei bekam, streute Bletschacher sofort einen ähnlichen Verdacht über den Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude. Seine Vermutung konnte er zwar nicht belegen, aber ein bißchen Ablenkung von seinem Herrn und Meister Peter Gauweiler war erreicht.
Vor zwei Monaten kritisierte Bletschacher dann allen Ernstes, daß die Ehefrau des SPD-Oberbürgermeisters ein Foto in der Zeitschrift einer städtischen Genossenschaft veröffentlicht hatte. Die Fotografin verlangte zwar nicht mal ein Honorar, doch Bletschacher witterte mit seinem Sinn für Affären: „Hier sind rote Spezln am Werk.“
Bei seiner eigenen Firma war Bletschacher allerdings ein bißchen großzügiger. Für seine marode Käseschachtel- Fabrik zweigte er insgesamt fast fünf Millionen aus der Kasse des Vereins „Stille Hilfe Südtirol“ ab. Als Vereinsvorsitzender konnte er über die Spenden offenbar frei verfügen – und gewährte sich mehrere zinslose Darlehen. Zurückzahlen kann Bletschacher das Geld im Moment leider nicht, wie er einräumte.
Daß solche Details nach außen drangen, schreibt Bletschacher einer parteiinternen Intrige zu: Jemand aus dem Finanzministerium, dem das krumme Geschäft bekannt war, müsse einen Journalisten informiert haben. Die gauweilertreue Münchner CSU hat deshalb in bewährter Weise Strafanzeige erstattet: gegen Unbekannt, wegen Verrats von Steuergeheimnissen.
Dem jovialen Gerhard Bletschacher nutzt das wenig: Sein Rücktritt ist nicht zu umgehen; gestern abend sollte die Entscheidung verkündet werden. Die CSU ist deshalb bereits auf der Suche nach dem Nachfolger. Erwünscht ist ein Mann, der die Anweisungen des Münchner Parteivorsitzenden Gauweiler ähnlich brav umsetzt wie bisher Bletschacher. Und er sollte als Erfinder von Amigo-Verdächtigungen ebenfalls Erfahrung mitbringen: In neun Monaten sind Stadtratswahlen. Felix Berth
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen