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■ Das PortraitDie Verbandsfrau

Endlich habe eine wahre Frauenpolitikerin den Schleudersitz der Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung in Hessen eingenommen, sagen Sozialdemokratinnen aus der feministischen Ecke der Partei. Schon wieder habe Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) eine „Verbandsfrau“ zur Frauenministerin gekürt, stöhnen dagegen hinter vorgehaltener Hand Frauen aus den Reihen der Bündnisgrünen. Die Nachfolgerin von Heide Pfarr, die geschaßt wurde, und Ilse Stiewitt, die kein eigenes Profil erkennen ließ, heißt Barbara Stolterfoth (55). Die in Dux im heutigen Tschechien geborene Politologin ist tatsächlich eine „Verbandsfrau“. Stolterfoth war zehn Jahre lang im Landeswohlfahrtsverband tätig: zunächst als Abgeordnete der Verbandsversammlung, dann als hauptamtliche Beigeordnete und seit März 1992 schließlich als Landesdirektorin. Doch Vereinsmeierei, sagen ihre Mitarbeiterinnen, sei ihr Ding nicht. Stolterfoth gilt als weltoffen. Sie studierte in Göttingen, Paris und Bielefeld Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als Politologin in Berlin am Deutschen Institut für Urbanistik und am Wissenschaftszentrum. In

Barbara Stolterfoth Foto: Archiv

den Jahren 1983/84 war die 1965 in die SPD eingetretene Stolterfoth Gesundheitsreferentin beim Bundesvorstand ihrer Partei, ehe Hans Eichel sie als Frauenbeauftragte in den Magistrat der Stadt Kassel holte. Unter Oberbürgermeister Eichel wurde sie dann Stadträtin für Frauen, Gesundheit und Soziales.

Jetzt hat sie der Ministerpräsident Eichel wieder geholt – in sein Kabinett. Stolterfoth hat sich in den ersten vier Wochen ihrer Amtszeit schon mächtig ins Zeug gelegt und vor allem mit Bonn angelegt: Die soziale Frage, so die Ministerin, brauche „intelligentere Antworten als Streichen und Kürzen“. Stolterfoth will den Sozialstaat mit neuen Methoden – „Vernetzung, Straffung, Effizienzüberprüfung“ – und mit Zähnen und Klauen gegen die „gesellschaftspolitisch schamlosen Angriffe“ der Bundesregierung und der Wirtschafft verteidigen. Denn „die Herren vom Vorstand der Deutschen Bank brauchen den Sozialstaat nicht; er ist auch nicht für sie gedacht!“ Gedacht und gemacht sei er für alle, die vorübergehend oder dauerhaft ohne öffentliche Hilfe nicht überleben könnten. Und diese Form gesellschaftlicher Solidarität, so Stolterfoth, sei ein „unverzichtbares Merkmal einer funktionierenden Demokratie“. Klaus-Peter Klingelschmitt

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