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■ Das PortraitDer rote Kalif

„Kalif von Cordoba“ nennen ihn Freund und Feind anerkennend. Sein grauer Bart und seine gepflegten Umgangsformen brachten Julio Anguita, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Spaniens und Chefkoordinator des Wahlbündnisses „Vereinigte Linke“ (IU), diesen Spitznamen ein. In seiner andalusischen Heimatstadt Cordoba erinnert man sich gerne an Bürgermeister Julio. Viele verdanken seiner Amtszeit so elementare Dinge wie Strom, Wasser und asphaltierte Straßen.

Für den 54jährigen Gymnasiallehrer ist die Politik „die Synthese verschiedener Disziplinen, der Philosophie – von hier nimmt die Politik ihre Grundsätze –, der Geschichte als Anschauungsmaterial, der Ethik etc.“. Die Aufzählung kommt nicht von ungefähr. Seine Unterrichtsfächer waren die Gesellschaftswissenschaften. So gestaltet Anguita jede Versammlung zum didaktischen Spektakel voller Beispiele. Ob die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts, die Industrielle Revolution oder die alten Griechen, es findet sich immer etwas Passendes. Thesen werden mit dem erhobenen Zeigefinger unterstrichen. Schlußfolgerungen verlangen mehr Stimmvolumen, mindestens eine Wiederholung und zwei erhobene Zeigefinger. Beim Publikum kommt dies erstaunlich gut an.

Julio Anguita Foto: Reuter

Das erfolgreiche Konzept der IU wurde aus der Not geboren. Anguita, für den sich das „herkömmliche Parteischema längst überlebt hat“, ist ihr geistiger Vater. Nachdem Spaniens KP immer mehr Stimmen verloren hatte, rief er 1984 linke Gruppierungen an einen Tisch. Gemeinsam trat das neue Bündnis zu den andalusischen Regionalwahlen an. „Izquierda Unida“ war geboren. Als man dann auch noch mehr Stimmen holte als die KP allein, war der Widerstand der alten kommunistischen Garde in Madrid gebrochen. IU wurde auf alle Provinzen ausgeweitet. Anguita tauschte den Sessel im Rathaus mit dem des Chefkoordinators. 1988 krönte ihn die KP zum neuen Generalsekretär.

Mit der IU will Anguita zur stärksten Kraft innerhalb der Linken werden. Die WählerInnen scheinen damit einverstanden zu sein. Der Stimmenanteil steigt stetig. 11,7 Prozent bei den Kommunal- und Regionalwahlen am vergangenen Sonntag ist das stolze Ergebnis. „Das Projekt für die Krise der Linken“, wie Anguita seine IU gerne nennt, hört nicht auf, neue Kreise anzuziehen. Der letzte Zugewinn: Spaniens Trotzkisten und Teile der Grünen. Reiner Wandler

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