piwik no script img

■ Das PortraitMafia-Oberboß

Leoluca Bagarella, Kronprinz der Cosa Nostra Foto: rtr

Die „Viale della Regionae siciliana“, eine mächtige, in die Vorstädte Palermos gehauene Betonschneise, gilt nicht nur wegen ihrer Nadelöhre als Allee der höchsten Gefahrenstufe. Anfang der 80er Jahre verübte dort ein Mafiakommando bei einem gegnerischen Clan ein Massaker, 1982 wurde der kommunistische Abgeordnete Pio La Torre ermordet, 1993 nahmen Spezialeinheiten Oberboß Toto Riina an der Allee fest – und nun hat es auf derselben Straße auch dessen Schwager und wahrscheinlichen Nachfolger erwischt, Leoluca Bagarella. Agenten des Dipartimento investigativo antimafia (DIA) verhafteten den 53jährigen Kronprinzen der Cosa Nostra am Samstag abend in einer fernsehgerechten Straßenaktion.

Bagarella, schon mehrmals zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, war seit 1991 flüchtig, doch die Ermittler hatten immer wieder handfeste Spuren von ihm gefunden, auch an den überraschendsten Orten. So hat er vom Mobiltelefon des Erzbischofs von Monreale, Cassisa, Gespräche mit kalabresischen Mafiosi geführt. Diese Erkenntnis kostete den Erzbischof sein einflußreichstes Amt – das des Statthalters des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, eine tätige Vereinigung aus Finanziers und Industriellen, deren Mitglieder immer wieder in den Verdacht halbseidener Aktionen geraten sind.

Ungetrübt ist die Freude an der Festnahme Bagarellas nicht. Einerseits ist den Ermittlern in den letzten Monaten klargeworden, daß der Mann seine hohe Stellung wohl weniger seinen intellektuellen Fähigkeiten oder seinen Schießkünsten verdankt, sondern vor allem seiner Verwandtschaft zu Toto Riina. Bereits seit längerem gibt es Erkenntnisse, wonach starke Fraktionen der Mafia- Clans die Nachfolgefrage für den eingeknasteten Riina zu einer Neuordnung der Kräfte nutzen wollen. Insofern sind auch Gerüchte nicht abwegig, daß Bagarella von seinen Feinden regelrecht „ausgeliefert“ worden sei – wie schon vor wenigen Monaten Riinas anderer Stellvertreter Aliefi.

Möglicherweise ergibt sich auch eine Auseinandersetzung zwischen den Ermittlern. Agenten der zur DIA in Konkurrenz stehenen Carabinieri-Sondereinheit ROS (Reparti operativi speciali) streuen, Bagarella sei gerade auf dem Weg zu Riinas drittem Stellvertreter Bernardo Provenzano gewesen. Die Festnahme Bagarellas habe die von ROS vorbereitete Verhaftung Provenzanos verhindert. Werner Raith

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen