Das Portrait: Sudans graue Eminenz
■ Hassan at-Turabi
Er ist der kosmopolitische Islamist par excellence: Sudans graue Eminenz Dr. Hassan at-Turabi. Genüßlich trägt er seine Fähigkeiten westlichen Journalisten zur Schau. „Wollen Sie nun, daß ich mich auf englisch oder französisch mit Ihnen unterhalte. Ich nehme an, Sie sprechen kein Arabisch“, begann er unlängst in dem ihm eigenen Charme eine Pressekonferenz in seinem schlichten Büro in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.
Turabi, Kind einer Familie mit islamischer Rechtstradition erhielt seinen Juramagister an der Universität von London, seine Doktorwürde an der Pariser Sorbonne. Damit stand der Karriere des heute 63jährigen nichts mehr im Weg. In den 60er Jahren Generalstaatsanwalt, hatte er in den folgenden Jahren mehrere Ministerämter, u.a. des Justizministers, des Außenministers und des Vize- ministerpräsidenten, inne.
In einem Militärcoup übernahm 1989 Turabis „Islamische Front“ mit Hilfe eines Teils des Militärs endgültig die Macht im Lande. Obwohl er seitdem offiziell kein staatliches Amt innehat, gilt Turabi als derjenige, der im Hintergrund alle Fäden in der Hand hält.
Hassan at-Turabi, Kosmopolit und Islamist Foto: F. Misser
Gegenüber westlichem Publikum gibt sich Turabi moderat. Sein Traum von einem islamischen Staat sei demokratischer als jegliche westliche Demokratie, behauptet er. Er mag die Werke des ägyptischen Schriftstellers Nagib Mahfus, der unlängst von militanten Islamisten als „Apostat“ attackiert wurde. Von der Fatwa gegen Salman Rushdie distanziert er sich vorsichtig. Die täglichen Menschenrechtsverletzungen seines Regimes sprechen allerdings eine andere Sprache. Wirtschaftlich isoliert, wurde Turabis Regime endgültig zum Paria, als die US-Regierung Sudan 1993 auf die Liste jener Länder setzte, die internationalen Terrorismus unterstützen.
Nach dem Mordversuch an dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak letzte Woche in Addis Abeba gerieten Turabi und sein Regime erneut in die internationale Schußlinie. Mubarak warf der „kriminellen Bande“ vor, an dem Mordversuch beteiligt gewesen zu sein. Seit Jahren verdächtigt Kairo Khartum, Ägyptens islamistische Opposition zu unterstützen. Turabi äußert sich in üblicher Zweideutigkeit: „Wenn in Ägypten Freiheit herrscht, wird sich dort der Islam Schritt für Schritt friedlich entwickeln. Wenn nicht, wird die Zukunft eine Revolution bringen.“ Karim El-Gawhary
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