Das Portrait: Abriß oder Pförtnerloge
■ Café Kranzler in Berlin
Dem weltberühmten Café Kranzler stehen zwei mögliche Schicksale bevor: Abriß oder Pförtnerloge vor einem Hochhausriegel.
Zwei Tage vor Silvester letzten Jahres verkaufte die Besitzerin des Kranzler-Areals, die Viktoria-Versicherung, das Grundstück an die Deutsche Immobilien Fonds AG (Difa), die zum Finanzverbund der Volks- und Raiffeisenbanken gehört. Die Difa will einen vom Stararchitekten Helmut Jahn geplanten Entwurf realisieren, der zwischen Ku'damm und Kantstraße einen 160 Meter langen und 55 Meter hohen Glasbetonpalast vorsieht. Der futuristische Klotz, empören sich Kritiker, würde das Kranzler wie eine Pförtnerloge aussehen lassen und den Boulevard optisch von der Gedächtniskirche absperren.
Der Streit über die Zukunft des Kranzlers ist zu einer Art Kulturkampf zwischen Bewahrern des alten Westberlin und Hauptstadtvisionären geworden. Um den Neubau zu verhindern, wäre Berlins Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) bereit, das Kranzler „notfalls zu opfern“. Dafür müßte der Denkmalschutz aufgehoben werden.
Die Idee dahinter: Wenn das Kranzler abgerissen und an seiner Stelle eine Blockrandbebauung genehmigt wird, könnte Investor Difa auf den Hochhausriegel verzichten.
Strieder: „Ich halte den Riegel für dramatischer als ein fehlendes Café Kranzler.“ Sollte der Senat allerdings Jahns Hochhaus zugunsten einer niedrigeren Bebauung streichen, könnte die Difa eine Entschädigung in Millionenhöhe verlangen, weil sie das Gelände mit der Zusage einer höheren Geschoßflächenzahl gekauft hatte und mit Gewinneinbußen rechnen müßte.
Der Mietvertrag von Kranzler mit der Difa läuft im Jahr 2005 aus. Ein Difa- Vorstandsmitglied versicherte der Kranzler-Direktion: „Das Kranzler bleibt.“ Direktor Eßling bleibt skeptisch: „Fest steht gar nichts.“
Das Café verdankt seinen Namen dem preußischen Hofkonditor Johann Georg Kranzler. Der Wiener Zuckerbäcker hatte 1825 ein nobles Kaffeehaus am Boulevard Unter den Linden eröffnet, 1932 erhielt der aufstrebende neue Westen eine Dependance am Kurfürstendamm, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. An gleicher Stelle wurde 1958 das heutige Kranzler eingeweiht, das inzwischen der schweizerischen Kaffee- und Schokoladenkette Merkur gehört. itz
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