Das Portrait: Graue Eminenz
■ Avigdor Liberman
Der in weiten Kreisen unbekannte Mann, der oft an der Seite des neuen israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu zu sehen ist, heißt Avigdor Liberman und spielt so sehr die Rolle einer einflußreichen grauen Eminenz, daß ihn die Medien mit Rasputin vergleichen. Tatsache ist, daß der jetzt zum Generaldirektor des Ministerpräsidiums ernannte Liberman hinter den Kulissen die erfolgreiche Wahlkampagne seines Netanjahu auf höchster Ebene koordiniert und die geheimen und komplizierten Koalitionsverhandlungen in eigener Regie geführt hat.
Als einer der durchweg jüngeren backroom boys des Ministerpräsidenten spielt dieser neue, 38jährige Star, der in kein politisches Amt gewählt wurde, plötzlich eine Schlüsselrolle. Er wanderte 1978 aus Kishinev im heutigen Moldawien ein und stammt aus einem rechtsradikal-zionistischen Milieu. Während seiner Jerusalemer Studienjahre schloß er sich dem militanten Studentenbund des Likud an. Wie viele andere Einwanderer aus Osteuropa lebt Liberman mit seiner Familie in einer der Siedlungen am Westufer.
Nach seinem Militärdienst verdiente Liberman seinen Lebensunterhalt als Aufpasser und Sicherheitsbeamter, unter anderem vor dem Ministerpräsidium in Jerusalem. Heute ist er dort tonangebend – in der Chefetage.
Er arbeitete zwischenzeitlich auch als leitender Redakteur einer russischsprachigen Wochenzeitung und sprach sich in dem Blatt gegen einen „Ausverkauf der Heimat“ an die Palästinenser aus. Als engster Mitarbeiter Netanjahus stieg Liberman im Jahre 1992 zum Generaldirektor des Likud auf, brachte es jedoch fertig, anonym im Schatten seines Chefs zu bleiben.
Liberman gilt als ambitioniert-aggressiver Organisator mit den Attributen eines rücksichtslosen Manipulators im Dienste der rechten Parteiführung. Als Vertrauter des neuen Parteibosses Netanjahu ist es Liberman in den letzten Jahren gelungen, den Apparat des Likud- Hauptquartiers in Tel Aviv zu reorganisieren. Seine ebenfalls aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Freunde bezeichnen Liberman als „Bulldozer“ oder „Befehlshaber“.
Erst nach dem Wahlsieg des Likud erschienen der Name und das Bild des Mannes mit dem enorm großen Einfluß in den Medien. Doch bis heute ist über Netanjahus graue Eminenz nur wenig bekannt. Amos Wollin
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