Das Portrait: Kesslers 60 Jahre!
■ Alice und Ellen Kessler
Beide gleichen sich nach wie vor wie ein Ei dem anderen. Immer noch spielen sie gern ihr Spiel mit den Fotografen: Niemand weiß, wer Ellen ist und wer Alice. Sie tragen meist die gleichen Klamotten, interessierten sich stets für die gleiche Sorte Mann und mußten im Laufe der Jahre feststellen, daß selbst die ersten Fältchen bei beiden an den gleichen Körperpartien hervortraten. Heute werden sie 60 Jahre.
Ihr Vater schickte die beiden, im sächsischen Nerchau geboren, 1947 auf eine Ballettschule, damit sie dort lernten, sich ein bißchen graziöser zu bewegen. Die Lektionen studierten sie emsig, so fleißig sogar, daß sie von ihrer Beweglichkeit seit 1952 leben konnten. Zunächst als Tänzerinnen im Düsseldorfer „Palladium“, von 1955 bis 1960 sogar in der ersten Reihe des Pariser „Lido“ als Mitglieder der Tanzgruppe „Blue-Bell-Girls“.
Die Kesslers galten als deutsch, weil diszipliniert und völlig unrenitent, doch darüber hinaus als überaus international, ja ungermanisch: In Italien hatten sie in den 60ern den Status von blonden Halbgöttinnen inne – gerade weil sie so unnahbar wirkten, wenn sie maschinensynchron ihre Beine schwangen. Sie waren die letzten auch international respektierten Revuegirls des deutschen Showgewerbes – flott und frisch auf Weltniveau.
Die Zwillinge, die zusammen sich erst komplett fühlen und auch deshalb nie heirateten, bestenfalls längere Liaisons mit dem anderen Geschlecht eingingen, hatten nie Lust, von der Bühne abzutreten. „Solange unsere Sehnen biegsam bleiben, tanzen wir“, beschieden sie einen Frager, der indiskret auf ihr gesegnetes Alter zu sprechen kam.
Eigentlich leben sie bis heute wie siamesische Zwillinge, die versehentlich mit getrennten Körpern zur Welt kamen. 1987 bekamen sie für ihre Arbeit als tanzende und singende Botschafterinnen einer durch sie glamouröser geratenen Bundesrepublik das Bundesverdienstkreuz am Bande. Jan Feddersen
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