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Das PortraitDer letzte der Viererbande

■ Yao Wen-Yüan

Früh schon war Yao Wen- Yüan dem großen Vorsitzenden aufgefallen. Scharfzüngig hatte er mit den Intellektuellen abgerechnet, die unvorsichtigerweise die „Laßt hundert Blumen blüh'n!“- Kampagne nach 1956 für bare Münze nahmen. Später, in der Kulturrevolution der 60er Jahre, schoß er im Auftrag Maos führende Parteimachthaber ab, die „den kapitalistischen Weg gingen“.

Zu seinem prominentesten Opfern gehörte der Leiter des Südbüros der Kommunistischen Partei, Tao Dschu. Zwei Werken Taos widmete Yao 1968 einen brillanten Kommentar, in dem er seinen ideologischen Gegner unter reichlichem Gebrauch von Mao-Zitaten wie von Sentenzen der klassischen Literatur als bis ins Mark verfaulten Revisionisten brandmarkte (Tao wurde posthum rehabilitiert).

Yao hielt sich eng an den Parteisekretär der kulturrevolutionären Hochburg Schanghai, Dschang Tschun- tijao. Beide arbeiteten in ihren Schriften die Generallinie aus, die Mao mit seiner These von der Fortführung des Klassenkampfs unterm Sozialismus vorgegeben hatte. Yao und Dschang bildeten im Politbüro zusammen mit Maos Frau Tschiang Tsching und dem Vorzeigearbeiter Wang-Hun-Wen eine radikal linke Fraktion, die „Viererbande“.

Mao sympatisierte mit den Zielsetzungen der Gruppe, hielt sie aber politisch für dilettantisch. Unmittelbar nach Maos Begräbnis im Herbst 1946 wurde die Fraktion zerschlagen. Millionen atmeten auf, schrittweise wurden die Terrormaßnahmen gegen Intellektuelle und Studenten aufgehoben.

Zweifellos war Yao als Schreibtischtäter für die Verfolgung und Ermordung vieler Intellektueller in der Kulturrevolution mitverantwortlich, ohne daß diese Taten in dem Prozeß gegen die Viererbande konkret nachgewiesen worden wären. Auch die Behauptung, die „Vier“ hätten kurz vor einem Staatsstreich gestanden, erweist sich im historischen Abstand als dünn begründet. Nach 20 Jahren Haft ist Yao jetzt, pünktlich zum Jubiläum der Entmachtung der Viererbande, auf freien Fuß gesetzt worden. Die anderen drei der Viererbande starben im Gefängnis. Wünschen wir uns , daß dem 64jährigen noch Zeit bleibt, seine Version der Kulturrevolution zu Papier zu bringen. Denn mit der allzu konformistischen Ettikettierung „faschistisch“ ist es nicht getan. Christian Semler

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