Das Portrait: Karmal, der Arbeiterfreund
■ Barbrak Karmal
Babrak Karmal, der ehemalige Staats- und Parteichef Afghanistans, ist tot. Am Wochenende erlag er im Alter von 67 Jahren in Moskau einem Krebsleiden. Karmals linke Politikerkarriere began 1950. In diesem Jahr begründete der Jurastudent an der Universität Kabul die erste unabhängige Studentenunion des Landes mit, die nach nur wenigen Monaten verboten wurde. Nach einer aufrührerischen Rede wurde er 1953 erstmals verhaftet, aber 1956 wieder freigelassen. Seit 1965 führte er eine der beiden Hauptfraktionen der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DPVA). An der Spitze Tausender Demonstranten zog er regelmäßig zum 1. Mai durch die Straßen Kabuls. Damals nahm er auch seinen Nachnamen Karmal an: Das heißt „Freund der Arbeiter“. Er war so populär, daß er in Kabul 1965 und 1969 ins Unterhaus des afghanischen Parlaments gewählt wurde. Nach der DPVA-Machtübernahme war er Vizepremier, bevor er noch 1978 als Botschafter in die CSSR abgeschoben wurde. Zum Jahreswechsel 1979/80 holte ihn die sowjetische Führung dann wieder nach Kabul zurück. Als zu Weihnachten 1979 sowjetische Truppen Afghanistan besetzten, machten sie Karmal zum „Generalsekretär“ des Zentralkomitees der Partei und zum „Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Afghanistan“.
Auf der Frequenz von Radio Kabul verkündete er: „Endlich, nach grausamen Qualen ist der Tag der Freiheit und der Wiedergeburt aller brüderlichen Völker Afghanistans angebrochen.“
Die Angesprochenen sahen das in ihrer Mehrheit anders und nahmen den bewaffneten Kampf gegen Karmals Regime und seine sowjetischen Verbündeten auf.
Sechs Jahre lang bemühte sich Karmal vergebens, den Makel wieder loszuwerden, eine Marionette der Sowjets zu sein. Im Zuge der Perestroika mußte er 1986 schließlich Geheimdienstchef Nadjibullah und dessen „Politik der nationalen Aussöhnung“ weichen.
Erst nach seiner Absetzung entwickelte Karmal eine Art eigenständiger Politik: Er schwenkte auf eine antisowjetische Linie um und machte allein die UdSSR für den Einmarsch und die Folgen verantwortlich. Er lebte im inneren Exil in Kabul, zog dann nach Moskau. Dort blieb er. Seinen Nachfolger Nadjib, den die Taliban Ende September aufhängten, überlebte er nur um Wochen. Thomas Ruttig
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