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Das PortraitRußlands neuer Vizepremier

■ Boris Nemzow

Als vor sechzehn Jahren eine Frau Boris Nemzows Mutter weissagte, ihr Sohn werde einmal ein weltberühmter Mann, lachte sie sich halb tot. Wenn heute der 37jährige Gouverneur von Nischni Nowgorod und neue Erste Vizeministerpräsident der russischen Regierung durch Washington oder Davos spaziert, begrüßen ihn die russischen TouristInnen: Hallo, Boris Jefimowitsch!

Nemzow leidet nicht unter Berührungsängsten. Kaum ein anderer russischer Politiker hätte sich, wie er, zu einer Fernsehdebatte mit Rechtsaußen Wladimir Schirinowski hergegeben. Nemzow bekam prompt ein Glas Saft ins Gesicht geschüttet. Sofort zahlte er es Wladimir Wolfowitsch in der gleichen, klebrigen Währung heim.

Mit 25 hatte Boris Jefimowitsch seine Physik-Dissertation fertig, heiratete seine Freundin Raissa und wurde Vater einer Tochter namens Schanna. Er führte das Leben eines normalen sowjetischen Jungwissenschaftlers mit glänzenden Perspektiven, bis er mit 30 Jahren – plötzlich grün wurde. Anlaß war der Plan der örtlichen Administration, in Nischni Nowgorod ein „völlig ungefährliches“ Atomkraftwerk zu errichten. Nemzow, an der Spitze endloser Demonstrationen, vereitelte das Teufelswerk. Danach war er plötzlich Politiker.

Während des August-Putsches 1991 befand sich Boris Nemzow in Moskau und kam Boris Jelzin zu Hilfe. Zum Dank ernannte ihn der Präsident zum Gouverneur von Nischni Nowgorod. Die Stadt entwickelte sich seither zum Schaukästchen russischer Privatisierung. Nemzow gelang es sogar, das Land von 150 Großkolchosen in Privateigentum zu überführen. Trotzdem stimmte er oft nicht mit den führenden russischen Reformern überein. Mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jegor Gaidar überwarf er sich, als dieser die Preise freigab. Nemzow, befürchtete, daß die Nowgoroder nun hungern müßten, und ließ vorsorglich in der Stadt Feldküchen aufbauen.

Obwohl der Gouverneur seine politische Heimat in Grigori Jawlinskis Fraktion Jabloko fand, war es Gaidar, der ihn bei den letzten Präsidentschaftswahlen bat, für die Demokraten zu kandidieren. Boris Jelzin selbst hat ihm schon mehrmals vorgeschlagen, sein Nachfolger zu werden. Nemzow tat all das bisher als „Clownerien“ ab. Falls Boris Jefimowitsch seine neue politische Mission überlebt, muß er solche Angebote wohl künftig ernst nehmen. Barbara Kerneck

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