Das Portrait: Birmas totgesagter Diktator auf Reisen
■ General Ne Win
Nach dem Kambodschaner Pol Pot ist wieder ein südostasiatischer Despot aus der Versenkung aufgetaucht. Birmas greiser General Ne Win, mehrfach totgesagt, trat jetzt erstmals seit acht Jahren wieder ans Licht der Öffentlichkeit. Völlig unerwartet traf der 86jährige vor ein paar Tagen in Jakarta ein: ein smart gekleideter, etwas unsicher gehender alter Herr mit Goldrandbrille. Indonesiens Präsident Suharto habe ihn eingeladen, hieß es. Ne Win wolle zum Grab seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Ehefrau Tien fahren – ein reiner Privatbesuch.
Was wirklich hinter der Reise steckt, ist rätselhaft. Suharto und Ne Win kennen sich seit Jahrzehnten. Der indonesische Präsident gehört zu den stärksten Verteidigern des Militärregimes in Rangun, seine Familie hat beträchtliche Geschäftsinteressen in Birma. Die Ranguner Militärs sehen Indonesien als Vorbild: ein Vielvölkerstaat mit demokratischem Anstrich unter der Kontrolle von Militär und Regierung.
26 Jahre lang hatte General Ne Win mit Hilfe des Militärs über Birma geherrscht, als er nach den Unruhen von 1988 abtrat und einer Militärjunta das Feld überließ. Bis dahin hatte er das einst wohlhabende Land in Grund und Boden gewirtschaftet. Abgeschottet von der Außenwelt, auf dem „birmesischen Weg zum Sozialismus“, wurde das ressourcenreiche Birma zu einem der ärmsten Länder der Welt. Ne Win selbst und seine Leute kamen in dieser Zeit zu großem Reichtum, unter anderem durch den Handel mit Rubinen.
Nach seinem Rücktritt zog sich Ne Win auf sein Anwesen am Inya-See von Rangun zurück, an dessen gegenüberliegendem Ufer seine größte Widersacherin lebt: Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. Der Beginn seiner Karriere war eng mit der des Vaters der Nobelpreisträgerin verbunden: Beide gehörten zu den legendären „30 Kameraden“, die für eine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht kämpften. Der „Sohn des Ruhmes“, wie der Kriegsname Ne Win übersetzt heißt, putschte sich 1962 an die Macht.
Ob Ne Win immer noch die Fäden der Macht in den Händen hält, ob er sich lediglich regelmäßig vom militärischen Geheimdienst informieren läßt oder nur noch Wahrsager und Astrologen konsultiert, wie das Gerücht wissen will, ist umstritten. Die streng kontrollierte Presse in Birma jedenfalls verschwieg seine Reise. Jutta Lietsch, Bangkok
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen