Das Portrait: Die mutige Journalistin
■ Salima Ghezali
Wann immer die Rede auf die zierliche Frau kommt, fällt unweigerlich das Wort „Mut“. Denn Salima Ghezali, Chefredakteurin der algerischen Wochenzeitung La Nation, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Lage in ihrer Heimat geht. Während sich die Journalistin mit ihren kritischen Artikeln bei beiden Konfliktparteien in Algerien unbeliebt macht, erntet sie bei vielen ihrer Landsleute und im Ausland Anerkennung.
Im vergangenen Jahr erhielt die 39jährige den Menschenrechtspreis der US- amerikanischen Rothkoe Chapel Stiftung. Im März 1997 ernannte sie das US- Magazin World Press Review zur „Internationalen Journalistin des Jahres“. Gestern folgte der mit 15.000 Ecu dotierte „Sacharow-Preis für die Freiheit des Geistes“ des Europaparlaments.
Als „das algerische Gedächtnis für die Zukunft“ sieht die Französischlehrerin Ghezali die Zeitung La Nation, der sie seit 1994 vorsteht. Immer wieder flatterten ihr Bescheide auf den Tisch, daß die Zeitung nicht mehr erscheinen dürfe. Sie veröffentlichte Artikel gegen den Militärputsch 1992, über Folter, Massenerschießungen und Entführungen.
Vor einem Jahr fand die Regierung schließlich einen Weg, das unbequeme Blatt mundtot zu machen: Die staatlichen Druckereien arbeiten nicht mehr für La Nation, wegen zu hoher Schulden. Doch Geldsorgen sind schwer zu verhindern in einem Land, in dem Werbung, Papiervertrieb und Druck von Staatsmonopolen kontrolliert werden.
Auch den radikalen Islamisten ist Salima Ghezali ein Dorn im Auge. Zu westlich ist ihnen das Weltbild der Journalistin, die 1988 die Vereinigung für die Emanzipation der Frau aus der Taufe hob. Drohbriefe gehören für Salima Ghezali längst zum Alltag. „Banalitäten“, winkt sie ab. Sich zurückzuziehen oder ins Exil zu gehen lehnt sie ab.
Die schönsten Glückwünsche zum Sacharow-Preis kamen aus Paris. Genau ein Jahr nachdem La Nation ihr Erscheinen endgültig einstellen mußte, ist das Blatt jetzt wieder zu haben. Unter dem Motto „Gegen Zensur – World Wide Web“ ist La Nation seit gestern auf der Homepage von „Reporter ohne Grenzen“ zu lesen: www.Calvacom.Fr/rsf/daziboa/index.html Reiner Wandler
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