Das Portrait: Kandidat und Hoffnung der Basis
■ Josep Borrell
Heute haben wir den ersten Schritt auf einem Weg gemacht, der uns zurück an die Regierung führt“, jubelte Josep Borrell, als er Freitag nacht von seinem Sieg bei der Urabstimmung der spanischen Sozialisten (PSOE) erfuhr. Mit 55,1 Prozent kürte ihn die Basis überraschend zum Kandidaten für die Wahlen im Jahr 2000. Generalsekretär Joaquin Almunia verlor trotz Unterstützung der gesamten Parteiführung – oder gerade deshalb.
Wegen der fehlenden Unterstützung durch den Vorstand sahen viele in dem redegewandten 51jährigen Katalanen einen Erneuerer. Der elegante Ex-Minister schimpft gegen den „Fatalismus des Marktes“, verteidigt den öffentlichen Bereich und den Sozialstaat. Eine Botschaft, die nach zwei Jahren konservativer Regierung und unzähligen Jahren neoliberaler Politik durch die eigene Partei ankommt. Die Basis will von Reformen und mehr sozialer Gerechtigkeit träumen. Borrell, Sohn eines Bäckers in einem kleinen Pyrenäendorf, verstand es, sie zu bedienen. Der Luftfahrtingenieur und Doktor in Wirtschaftswissenschaften trat 1975 der PSOE bei. Vom Rathaus eines Madrider Vorortes über die Provinzverwaltung führte ihn sein Weg 1982, nach dem Wahlsieg von Felipe González, als Staatssekretär für Steuerwesen ins Wirtschaftsministerium und von dort direkt in die Schlagzeilen der Regenbogenpresse. Egal ob bei Lola Flores, Multitalent für Flamenco-Heimatschnulzen, oder bei Pedro Ruiz, einer der berühmtesten Journalisten des Landes, überall klopften Borrells Steuerfander unsanft an die Tür. Das einfache Volk jubelte, traf es doch diejenigen, die in der Diktatur durch Wohlverhalten reich und berühmt geworden waren. Als Minister für öffentliche Arbeiten, Transport und Umweltschutz (1991-1996) legte sich Borrell abermals mit den Reichen an. Dieses Mal mit den Nationalisten seiner Heimatregion Katalonien und des Baskenlandes. Gegen den Willen der reichen Nordregionen verteilte er Gelder auch an den armen Süden. Statt mehr Autonomierechte für wenige, träumt Borrell von einem föderalen Spanien.
„Unnachgiebiger Jakobiner“ schimpfen ihn seine Gegner vom rechten Flügel der PSOE, allen voran Generalsekretär Joaquin Almunia. Doch was oben in der Parteiführung schlecht ankommt, muß es unten an der Basis noch lange nicht. Reiner Wandler
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