Das Portrait: Chiapas-Vermittler ohne Hoffnung
■ Samuel Ruiz Garcia
„Es ist seltsam“, hat er einmal gesagt, „man versteht sich plötzlich bestens mit Anarchisten, Linken und allen möglichen Leuten – nur mit den Katholiken selbst gibt es dauernd Ärger.“ Samuel Ruiz, 73, weiß, wovon er spricht. Als Anhänger der Befreiungstheologie genießt der Bischof von San Cristóbal de las Casas das Vertrauen der Aufständischen in Chiapas. Mit dem Vatikan jedoch – und mit der Amtskirche in Mexiko – hat Ruiz seine Schwierigkeiten.
Als im Januar 1994 die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee auf den Plan trat und sich heftige Gefechte mit der mexikanischen Armee lieferte, war es Ruiz, der Übergriffe der Armee auch auf Zivilisten anprangerte. Und da der Bischof aus seiner ideellen Sympathie für die Zapatistas nie ein Hehl machte, dauerte es nur Wochen, bis Regierungsanhänger in San Cristóbal forderten, er möge „die Stadt, Chiapas und Mexiko“ verlassen.
Bei der ersten Runde der Friedensgespräche zwischen Guerilla und Regierung, die Anfang 1994 zu einer Einstellung der Kampfhandlungen führte, spielte Ruiz eine entscheidende Rolle als Vermittler. Seine Diözese hat sich seither weiter um eine Annäherung der Fronten bemüht. Ruiz vertrat stets die Ansicht, daß eine rein technokratische Lösung der militärischen Aspekte des Konflikts nicht genüge, sondern eine politische Lösung her müsse, die soziale Gerechtigkeit einschließt.
Der Vatikan forderte 1995 seine Ablösung und schickte ihm schließlich Bischof Raúl Vera als „Aufpasser“. Das ging daneben. Denn bald sah auch Vera, daß Ruiz im Interesse der christlichen Botschaft seiner Gemeinde vorstand.
Ruiz zeigte sich stets hoffnungsvoll. Seine Botschaft war noch im taz-Interview 1994: Der Frieden ist möglich. Doch die Entwicklungen der letzten Jahre haben ihm den Optimismus genommen. Letzten Herbst entging er selbst knapp einem Attentatsversuch durch Paramilitär, und statt erneut Friedensgespräche moderieren zu können, mußte er im Dezember die Messe für die Ermordeten aus Acteal lesen.
Ruiz hat nun die Konsequenz gezogen und seine Vermittlerrolle niedergelegt. Das verkündete er von dem Platz aus, der ihm auch zukünftig zusteht: von der Kanzel seiner Kirche in San Cristóbal. Bernd Pickert
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