Das Portrait: Die Frau für den Euro-Elchtest
■ Sirkka Hämäläinen
„Der Welt attraktivster Zentralbankchef“. Das meldete die schwedische Wirtschaftszeitung Dagens Industri, als Sirkka Hämäläinen 1992 den Posten als oberster Boß der finnischen Reichsbank antrat. Auch Bundesbankchef Tietmeyer ließ sich nach ihrer Wahl in das Direktorat der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem Kompliment hinreißen: „Du, Sirkka, wirst bestimmt das Kronjuwel!“ Frau Hämäläinen ließ dazu wissen, Tietmeyer habe doch hoffentlich an ihre finanzpolitschen Qualitäten gedacht, vor allem an ihre Verdienste für eine restriktive Geldpolitik.
Wenn Hämäläinen beim Euro wiederholen kann, was ihr bei der finnischen Mark gelungen ist, dann dürfte sie schnell die Phase hinter sich lassen, in der sie nur als „einzige Frau“ im Männerdirektorium der EZB wahrgenommen wird. Sie gilt als „eiserne Lady der Mark“, und ihr wird als Verdienst angerechnet, die finnische Wirtschaft aus einer tiefen ökonomischen Krise zu Anfang der neunziger Jahre herausgeführt zu haben. Ihr Rezept: strenge Geldmengenpolitik zur Bekämpfung inflationärer Tendenzen, verbunden mit einer beträchtlichen Skepsis gegenüber dem Instrument der Zinsschraube als Mittel der Beschäftigungs- und Wachstumspolitik. Das brachte der Zentralbankchefin Ärger mit der Regierung ein. Unpopulär war vor allem ihre Weigerung, das Zinsniveau zu senken und damit eine paar Inflationspunkte hinter dem Komma in Kauf zu nehmen.
Die in diesem Mai 59 Jahre alt gewordene Volkswirtin begann unmittelbar nach dem Studium eine zielstrebige Karriere in der Finnischen Nationalbank, die sie 1992 auf deren Präsidentensessel führte. Dort scheute sie weder den Konflikt mit der Politik noch mit den eigenen Direktionskollegen.
Gleich zum Start werde der Euro sicher einem Elchtest unterzogen, sah Hans Tietmeyer vor kurzem voraus. Da wäre man doch recht froh, jemanden aus Finnland in der EZB dabeizuhaben. Zwar hat Tietmeyer Finnland mit Schweden verwechselt, wo der Mercedes-Mini in Wirklichkeit kippte – beim Euro-Elchtest wird Sirkka Hämäläinen aber nicht nur als Alibifrau in der EZB- Spitze dabeisein. Denn allzu mächtig will sie die EZB nicht werden lassen: „Nur die Geldpolitik überlassen die nationalen Zentralbanken der EZB. Im übrigen müssen sie unbedingt ihre Kapazität und Kompetenz behalten.“ Reinhard Wolff
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