Das Portrait: Der Traum vom Adler
■ Jürgen Storbeck
„Wir müssen aus der Froschperspektive heraus, wir brauchen die Perspektive des Adlers.“ Ein europäischer Adler, der das Verbrechen umkreist und dann den nationalen Dienststellen sagt, wo sie zugreifen sollen, so stellt sich Jürgen Storbeck die künftige Europapolizei vor. Als erster Direktor von Europol will der 52jährige Polizist dies nun Realität werden lassen.
Die Ernennung zum Europolchef Anfang Dezember ist für den gebürtigen Flensburger eine logische Fortsetzung seiner bisherigen Karriere. Er war kein Superbulle, kein Draufgänger. Storbeck stieg als Fachmann für „internationale politische Angelegenheiten“ zum Leitenden Kriminaldirektor auf und wurde zum Chef der Abteilung Interpol beim BKA in Wiesbaden befördert.
Als 1991 die EU-Regierungen den Aufbau einer Europapolizei – als europäisches FBI, so die deutschen und franzöischen Vorstellungen – beschlossen, sollte Storbeck als Koordinator die Behörde aufbauen. Doch vor allem die britischen Ängste vor einer Superpolizei, die in nationale Polizeihoheiten eingreifen könnte, stutzten die hochtrabenden Pläne zusammen. So blieb zunächst nur ein in Den Haag angesiedelter Europolaufbaustab mit Storbeck als Chef übrig. Ab 1994 leitete er eine Zentralstelle zur Bekämpfung des Drogenhandels und baute das Aktionsfeld zielstrebig aus: organisierte Kriminalität, Autoverschiebung, Nuklearschmuggel, Menschenhandel, Kindesmißbrauch, Terrorismus.
Die Befugnisse der Beamten blieben jedoch gleich: keine eigenständigen Ermittlungen, nur Hilfestellung für die nationalen Polizeien. Für Storbeck ein unbefriedigender Zustand, daraus macht er auch gegenüber Datenschützern und Europolgegnern keinen Hehl. Die macht es mißtrauisch, daß die künftigen Europolizisten diplomatische Immunität genießen sollen und von keiner Regierung oder Behörde Weisungen entgegennehmen dürfen. Storbeck setzt auf Aufklärung. Er ist sich sicher, daß dann „die Kritik bald verstummen“ werde.
Manchmal gießt er aber Öl ins Feuer. Sein Vorschlag, die Immunität sei auch ein Modell für jede Polizei, schlug hohe Wellen. Doch Storbeck räumte seinen Fehler ein und gibt auch anderen Einwänden recht: „Vor einem europäisches FBI mit vollen Kompetenzen steht ein einheitliches Strafprozeßrecht und einheitliche Justizbehörden.“ Erst dann könne der Adler fliegen. Bernd Siegler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen