piwik no script img

Das PortraitRasputin gegen das Establishment

■ Avigdor Lieberman

Wie ein Elefant im Porzellanladen trampelte Avigdor Lieberman in dieser Woche in der israelischen Parteienlandschaft herum. Der Vorsitzende der neuen Partei „Israel ist unser Haus“ nannte das Land eine „bürokratische Diktatur“, sprach gar von einem „Polizeistaat“.

Der ehemalige Chef des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat allen Grund, das israelische Establishment anzugreifen. Keiner wurde mit derart vielen polizeilichen Untersuchungen überzogen wie er. In jeder Affäre tauchte sein Name auf, von der gescheiterten Ernennung des Generalstaatsanwalts Bar-On bis zu Finanzbetrügereien seiner früheren Gesher-Partei. Angeklagt wurde er jedoch nie.

Die Likud-Partei stürzte ihn schließlich im November 1997. Vorgeworfen wurde ihm ein Komplott, um die Vorwahlen für die Knesset- Liste zu kippen. Gleichwohl entschied der Parteitag in seinem Sinne. Zukünftig bestimmt das Likud-Zentralkomitee über die Listenplätze für die Parlamentswahlen.

Eine derart schillernde Figur provozierte geradezu Spitznamen am laufenden Band. „Rasputin“ war eine der häufigsten Bezeichnungen, die dem Einwanderer aus Moldawien angedichtet wurden. Der heute 40jährige ist ein rechtsgerichteter Siedler. Lieberman, der einen Hochschulabschluß in Internationalen Beziehungen und Russischer Literatur innehat und auch noch Landwirtschaft studierte, machte sich schon in Studentenzeiten einen Namen als Aktivist der Siedlerbewegung. Gesponsert wurde seine politische Karriere vom derzeitigen Justizminister Tzahi Hanegbi, der allerdings inzwischen auf Distanz zu Lieberman geht.

Während Vertreter fast aller Parteien Lieberman als einen „Tyrannen“ und „eine Gefahr für die Demokratie und den Rechtsstaat“ bezeichnen, ist er in den Augen vieler russischer Einwanderer ein „Held“, der offen und rückhaltlos ihre Diskriminierung anprangert. Dennoch werden die Chancen seiner neuen Partei als nicht eben groß eingestuft.

Die russische Einwandererpartei Israel BaAliya unter Nathan Sharansky hat eine eigene Umfrage durchführen lassen, laut der nur vier Prozent der neuen Einwanderer Lieberman wählen würden. Doch selbst Israel BaAliya mußte eingestehen, daß fast 40 Prozent der Einwanderer noch unentschieden sind. Die neue Partei könnte also noch für eine Überraschung sorgen. Georg Baltissen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen