Das Portrait: Mißverständnisse der Mißverstandenen
■ Susan Stahnke
Sie ist wohlbehütet aufgewachsen, brüstet sich öffentlich, sechs Sprachen fließend zu beherrschen, bewältigte BWL-Studium und eine Balett-Ausbildung – und hat doch erst 31 Lebensjahre hinter sich. Man hat es in Hameln, wo sie geboren wurde, also eilig gehabt, ihr zu geben, was man dort unter einer guten Ausbildung versteht. Das mußte Susan Stahnke höheren Aufgaben zuführen. In Hamburg heuerte sie 1992 als Nachrichtensprecherin an, ohne Umweg über Privatradios gleich beim NDR. Man zeigte sich angetan von der kühlen Frau, die so blond war wie Dagmar Berghoff zuletzt vor 30 Jahren. Also wurde Susan S. gleich in die „Tagesschau“ gesetzt. Gestern hat die Vorleserin via Bild am Sonntag bekanntgegeben, daß sie auf diesen Job verzichtet. Sie könne nur arbeiten, wo sie sich auch wohl fühlt. Und seit NDR- Fernsehchef Jürgen Kellermeier öffentlich ihre Strapsfotos in Gala rügte, herrsche „kalter Krieg“ im Sender, empört sich Freund Thomas Gericke. Doch ihr Abstieg begann schon, als sie vor zwei Jahren im Kollegenkreis die Gebote der Egalität verletzte und durchblicken ließ, die schönste unter den „Tagesschau“-Schönen zu sein. Dann lernte sie den Mann kennen, der sie in diesem Glauben glühend bestärkte. Er muß ihr gesagt haben, sie könne eine zweite Sabine Christiansen werden, mindestens. Erst bekam sie 1998 die Show „Melodien für Millionen“. Doch sie machte keine Quote. Es war stets allenfalls eine Illusion von Charisma und Erotik, was sie verkörperte. Ein Mißverständnis, das Zuschauer schnell als Mogelpackung erkennen konnten. Auch in Talkshows wirkte Susan S. immer wie auswendig gelernt. Doch die Ungepriesene ließ lancieren, in Hollywood eine Laufbahn angetragen bekommen zu haben. In einer Rolle, die vielleicht sogar zu ihr gepaßt hätte: Karin Göring, die erste Frau des Obernazis Herman Göring. Das alles auf eine typische PR-Luftnummer deutet, spielt keine Rolle. Susan Stahnkes Lebensgefährte (Typ Manager für karrieregierige Mädchen) ermutigte sie zuerst zu den sogenannten erotischen Fotos, um prompt die tragische Botschaft in die Welt zu senden, die deutsche Welt sei zu eng für seine Glämmerdame. Jetzt hat Susan S., die sich stets mißverstanden und von Neidern verfolgt sieht, die Brocken laut hingeworfen. Sie wird wohl weiterhin verkünden, Deutschland sei einfach zu klein für sie. Jan Feddersen
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen