Das Portrait: Polens radikaler Bauernführer
■ Andrzej Lepper
Wer sein Mißfallen erregt, muß mit dem Schlimmsten rechnen: Andrzej Lepper, der radikale Bauernführer Polens, versohlt öffentlich den nackten Hintern seines Gegners. Er läßt mißliebige Bürgermeister mit dem Schubkarren auf den Misthaufen werfen. Der frühere Präsident Lech Walesa ist in seinen Augen ein „degenerierter Säufer“, die Gewerkschaft „Solidarnosc“ ein Kind von CIA und KGB. Danzigs Erzbischof Goclowski soll bei seinen bauernkritischen Äußerungen bedenken, daß 1794 in Warschau schon einmal nationale Verräter am Galgen baumelten.
Lepper (46) steht an der Spitze der derzeitigen Bauernproteste in Polen. „Die Regierung muß auf Knien angekrochen kommen“, kommentierte er Angebote des Landwirtschaftsministers zu Interventionskäufen auf dem Schweinemarkt. „Ich bin Lepper“, erklärt er, „und werde nur mit dem Regierungschef oder dem Präsidenten verhandeln.“
Lepper war bis 1989 Mitglied der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP), leitete zwei Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaften (LPG) und machte sich 1989 mit 85 Hektar Land selbständig. 1991 gründete er mit anderen hochverschuldeten Landwirten die Bauerngewerkschaft „Samoobrona“ (Selbstverteidigung) und trat in den Hungerstreik. Die damalige Forderung: Schuldenerlaß für alle Bauern. 1995 kandidierte er bei den Präsidentschaftswahlen und forderte die Rückkehr zum Sozialismus, der „noch nicht zu voller Reife gelangt“ sei.
Überzeugen konnte Lepper damit nur 1,3 Prozent der Wähler. Bis heute lehnt er den Beitritt des Landes zu NATO und EU ab. Schuld an der Misere der Bauern sei Finanzminister Leszek Balcerowicz. Mit der Einführung der Marktwirtschaft und der Öffnung des Agrarmarktes habe er die Bauern ruiniert.
Nötig ist laut Lepper nicht eine Reform der polnischen Landwirtschaft, sondern die Abschottung des Marktes vor Billigeinfuhren, garantierte Preise und Abnahmemengen. Sollte die Regierung nicht auf seine Forderungen eingehen, will Lepper einen Bauern-Sternmarsch nach Warschau organisieren und die Regierung stürzen. Diese hofft auf einen Haftbefehl. Der mehrfach vorbestrafte Landwirt ist nur auf Bewährung frei. Wenn die Zeitungen erst „Lepper hinter Gittern“ titeln, dürfte der Protest erst recht eskalieren. Gabriele Lesser
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