Das Portrait: Der Lord des Polit-Irrsinns
■ Lord Sutch
Er war der amtsälteste Parteichef Großbritanniens. Mit seiner „Official Monster Raving Loony Party“ brachte Screaming Lord Sutch stets Farbe in die Wahlkämpfe. Vorgestern hat sich der 58jährige in seinem Haus in London erhängt. Er habe seit langem an Depressionen gelitten, sagte seine Partnerin Yvonne Elwood.
David Sutch kam im November 1940 in Middlesex auf die Welt. Später war er der erste Rockmusiker mit langen Haaren – 45 Zentimeter. In den 60er Jahren verdiente er mit seiner Band „The Savages“, der auch der spätere Deep-Purple-Gründer Ritchie Blackmore angehörte, eine Menge Geld. Zwar schaffte er es in Großbritannien nie in die Hitparade, aber in den USA hatte er mit seinem Album „Lord Sutch and Heavy Friends“ – neben Blackmore waren Jimmy Page, Jeff Beck, John Bonham und Keith Moon dabei – einen Riesenerfolg.
1963 gründete der selbsternannte Lord seine eigene Partei, die zunächst „Teenager-Partei“ hieß. Ein Tory-Politiker bezeichnete ihn damals einmal als „raving loony“, als rasenden Irren, und das gefiel Sutch so gut, daß er seine Partei auf der Stelle umbenannte. Im Wahlkampf – Sutch kandidierte in seiner langen Politkarriere bei 40 Wahlen – trat er mit Zylinder, Glitterjackett und rostigem Megaphon auf. Sein Wahlslogan lautete: „Wähle den Wahnsinn, du weißt, daß es Sinn macht.“
Sutch wollte Butterberge zu Skipisten umwandeln und Fische in Weinseen aussetzen lassen. Er forderte bleifreie Bleistifte für die Polizei und die Streichung der Wintermonate Januar und Februar aus dem britischen Kalender. Manche seiner Punkte wurden Wirklichkeit, zum Beispiel das Wahlrecht ab 18, ganztägige Öffnungszeiten für Kneipen und kommerzielles Radio.
Ihre größten Erfolge errangen die „Loonies“ vor zwei Jahren, als Sutchs Parteikollege David Hope zum Bürgermeister von Ashburton gewählt wurde. Bei einer Nachwahl in Newbury im Mai 1993 ließ der „brüllende Lord“ den Konkurrenten der Grünen weit hinter sich und erhielt nur 700 Stimmen weniger als der Labour-Kandidat. Der kam allerdings nur auf zwei Prozent der Stimmen. Der Sitz fiel an die Liberalen.
Ein Sprecher der Liberalen sprach gestern von einem „traurigen Verlust“, und Premierminister Tony Blair ließ verkünden: „Wahlen werden nie mehr so sein wie früher.“ Ralf Sotscheck
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