■ Das Portrait: Links, Frau, Präsidentin
Tarja Halonen
Am 1. März wird sie zur ersten Präsidentin in der Geschichte Finnlands vereidigt werden. Tarja Halonen ist ein Beispiel dafür, dass es sie doch gibt, diese unwahrscheinlichen Karrieren.
Die sozialdemokratische Partei bekommt normalerweise gerade ein Drittel der Stimmen zusammen. Und doch haben sich am Sonntag 51,6 Prozent für Tarja Halonen entschieden, gegenüber 48,4 Prozent für den Konservativen Esko Aho. Der Wahlsieg erstaunt umso mehr, als Halonen klar dem linken Flügel angehört.
Geboren am Heiligabend 1943, mitten im blutigen Krieg zwischen der Sowjetunion und Finnland, in Berghäll, einem der heruntergekommenen Arbeiterviertel Helsinkis, dazu noch ein Mädchen – und jetzt der höchste Staatsposten. Dazwischen lagen erst viel Arbeit in den Gewerkschaften, eine juristische Ausbildung und dann die politische Laufbahn mit Sozialpolitik als Spezialgebiet. 1979 wurde Tarja Halonen ins Parlament gewählt, 1987 saß sie erstmals in einer Regierung.
Tarja Halonen hat sich immer für Minderheiten engagiert. Für die Rechte von Schwulen und Lesben zu kämpfen, seit 15 Jahren in „wilder Ehe“ zu leben und aus der Kirche auszutreten kann in einer so konservativen Gesellschaft wie der finnischen nach wie vor Sympathien kosten. Wenn sie trotzdem gewonnen hat, dann weil vor allem die Frauen gleich welcher Couleur und Moralauffassung hinter ihr stehen.
Ein Wermutstropfen bleibt: Der einst politisch stark ausgestattete – dem Amt des französischen Präsidenten vergleichbare – Posten, der nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Regierungsbildung, sondern auch auf die Außenpolitik hatte, wird durch eine ab 1. März gleichzeitig mit Halonens Vereidigung in Kraft tretende Verfassungsänderung im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben zurückgeschraubt
Für die 56-jährige Tarja Halonen wird nun erstmals in ihrem Leben ein Umzug aus dem Arbeitervorort Berghäll anstehen. In ihrer dortigen kleinen Wohnung im siebten Stock eines grauen Betonklotzes in der Wallinsgatan kann sie als Präsidentin nun doch nicht wohnen bleiben. Auch ihr Lebensgefährte Pentti Arajärvi aus der Wohnung schräg gegenüber will das nicht. Die Präsidentenresidenz wartet.
Reinhard Wolff
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