Das Portrait: Hauptmannin Ketten
Ihn wollen die Entführer der afghanischen Verkehrsmaschine, die derzeit in London steht, freipressen: Ismail Chan, nach seinem früheren militärischen Dienstgrad oft auch „Turan“ (Hauptmann) Ismail genannt, war einer der namhaftesten Mudschaheddin-Kommandanten während des zehnjährigen Krieges gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans.
Den Mudschaheddin der Dschamiat-e Islami (Islamische Vereinigung) – die ihre Anhänger vor allem unter der persischsprachigen Minderheit der Tadschiken rekrutiert – schloss sich Ismail noch vor dem sowjetischen Einmarsch an. Im März 1979 kam es im westafghanischen Herat zum bis dahin größten Aufstand gegen die linksgerichtete Regierung: Die dort stationierte Armee-Einheit rebellierte, die Bevölkerung schloss sich an. Hauptmann Ismail war eine der Kontaktpersonen zu den Organisatoren. Es gab Tausende Tote auf beiden Seiten, darunter etwa 60 sowjetische Berater mit ihren Familien. Dieses Massaker dürfte in Moskau mit den Ausschlag für den späteren Einmarsch gegeben haben.
Ismail Chan ging in die Berge. Seine Dschamiat-Abteilung befreite große Teile des Umlandes von Herat. Sogar aus der Altstadt konnten die Sowjets seine Anhänger nie ganz vertreiben. Als die Besatzer 1989 abzogen, wurde Ismail Chan „Amir“ (Gouverneur) der drei Nordwest-Provinzen mit Herat als Zentrum. Er tat, was später die heute in Kabul herrschenden Taliban nachahmten: Er sammelte alle – gegnerischen – Waffen ein, stellte Ruhe und Ordnung her und ging an den Wiederaufbau seiner Stadt.
Doch dann kam es zu Zerwürfnissen mit dem Militärchef der Dschamiat, Ahmad Schah Massud, dem legendären „Löwen vom Pandschirtal“. Dem war Ismail im fernen Herat zu mächtig geworden. Beide hatten sich einen schlechten Zeitpunkt für ihren Streit gesucht: Die Taliban rückten gerade auf Herat vor. Die Verteidigung war gelähmt, die Stadt fiel im September 1995. Ismail Chan floh nach Iran. Dort wurden seine Leute für den Kampf gegen die Taliban ausgebildet. 1997 kehrte „der Hauptmann“ nach Afghanistan zurück. Ein Verräter aus den eigenen Reihen lieferte ihn an die Taliban aus. Seitdem soll er im Gefängnis von Kandahar in Ketten gefangen gehalten werden. Die Flugzeugentführer wollen dies nun ändern. Thomas Ruttig
Fotohinweis:
Ihn wollen die Entführer des afghanischen Passagierflugzeuges freipressen: den ehemaligen Mudschaheddin-Kommandanten Ismail Chan Foto: AP
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