■ Das Porträt: Eduard Schewardnadse
Foto: Reuter
„Ich habe lange und qualvoll über meine Entscheidung nachgedacht, als Politiker nach Georgien zurückzukehren. Aber ich konnte die Gefühle nicht bezwingen, natürlich — weil die Zukunft meiner Heimat auf dem Spiel stand“, sagte Eduard Ambrosiewitsch Schewardnadse kurz nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des provisorischen Staatsrates in Georgien. Das war im März dieses Jahres. Nicht alle empfingen den zweimaligen Außenminister der versunkenen UdSSR in Tbilissi mit offenen Armen. Selbst die Gegner des vertriebenen Tyrannen Gamsachurdia und potentielle Verbündete Schewardnadses gaben sich bedeckt und skeptisch, wenn die Sprache auf diesen Mann kam. Sah der Westen in ihm einen „Friedensengel“, war er in seiner kaukasischen Heimat allein schon deswegen diskreditiert, weil er so lange Jahre in Diensten des „imperialistischen Nachbarn“ gestanden hatte. Nicht vergessen ist seine Zeit als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Georgiens. Immerhin war er 13 Jahre lang bis zur Ernennung zum Außenminister der ehemaligen Supermacht 1985 auf diesem Posten. Doch noch schwerer lastete auf ihm sein Wirken als Innenminister Georgiens in den 60er Jahren. Zu eng war er verwoben mit dem repressiven Sicherheitsapparat der Zentrale.
Um so erstaunlicher, wie schnell es ihm seither gelang, vom einstigen „Vasallen des Kreml“ zum einzigen Hoffnungsträger seines zerrütteten Landes zu avancieren. Allein seiner Reputation ist es zu verdanken, daß Georgien die internationale Anerkennung nicht versagt blieb. Jeder außenpolitische Schritt unterstrich seine kompromißlose Westorientierung. Der kaukasische Vielvölkerstaat fiel jedoch in einen erbarmungslosen Bürgerkrieg mit Tausenden von Opfern allein in den letzten Monaten.
Mehrfach sprach Schewardnadse deshalb von Rücktritt. Schon einmal hatte er Charakter gezeigt. Das war im Dezember 1990, als er seinen Posten als Außenminister verließ, um vor der Gefahr eines Rechtsputsches in Moskau zu warnen. Er habe die innenpolitische Gemengelage seiner Heimat nicht richtig eingeschätzt, gestand er kürzlich ein. Doch abgesehen davon: er wäre unter jeden Umständen zurückgekehrt. Seine politische Moral hätte es ihm abverlangt. Klaus-Helge Donath
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