: Das Parlament in Anführungszeichen
■ Karadžić konsultiert seine Mannen
Berlin (taz) – Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić hat seine Zustimmung zum Owen- Vance-Plan vom bosnisch-serbischen „Parlament“ abhängig gemacht. Mag sein, daß er dieses ohnehin fest unter Kontrolle hat und es sich also nur um einen weiteren taktischen Zug des geschickten Politikers handelt. Möglich ist aber auch, daß er im Fall einer Zustimmung ohne Rücksprache tatsächlich um seine Machtstellung hätte bangen müssen.
Im „Parlament“ treten Leute auf, neben denen Hardliner wie Karadžić und der Kommandant der bosnisch-serbischen Truppen, Ratko Mladić, sich mitunter wie Softies ausnehmen. So sagte zum Beispiel Radovan Brdjnanin jüngst bei einer Sitzung des „Parlaments“ im ostbosnischen Bijelina: „Wenn ich zwischen den beiden Übeln, eines Lebens neben bosnischen Muslimen und einer ausländischen Militärintervention, zu wählen hätte, würde ich letzteres wählen.“ Und als General Mladić die Ermordung des bosnischen Vizepremiers verurteilte, wurde er in Bijelina ausgebuht. Die „Parlamentarier“ haben bei ihrer jüngsten Tagung eine eigene Karte der Aufteilung Bosnien-Herzegowinas gezeichnet, die von derjenigen Vance' und Owens extrem abweicht und bis auf zwei kleine Sprengsel das gesamte Gebiet der Republik als serbisch ausweist.
Das „Parlament“ darf man getrost in Anführungszeichen schreiben. Vor einem Jahr traten die im November 1990 gewählten serbischen Abgeordneten aus dem Parlament in Sarajevo aus und bildeten ihr eigenes Parlament der „Serbischen Republik Bosnien- Herzegowina“, die sich heute nur noch „Serbische Republik“ nennt und deren „Regierung“, d.h. die Mannschaft Radovan Karadžić', in Pale, einem Vorort der bosnischen Hauptstadt, sitzt. Im vergangenen Herbst fanden angeblich Wahlen zu einem neuen „Parlament“ dieser weltweit von niemandem anerkannten „Republik“ statt – unter Kriegsbedingungen und nur im „ethnisch gesäuberten“ Großraum von Banja Luka, dem Hauptort der bosnischen Krajina und Zentrum der bosnischen Serben. Dort befinden sich heute auch die Verwaltung, die Radiostation, der Fernsehsender und die Notenpresse, die Coupons druckt, die selbstredend nirgends konvertibel sind. Im 60köpfigen „Parlament“ sitzen auch viele Männer, die aus vor einem Jahr noch überwiegend muslimisch besiedelten, inzwischen aber von den Serben eroberten und „gesäuberten“ Ortschaften und Regionen stammen und sich vehement gegen einen Rückzug aus diesen Gebieten wehren. thos
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen