piwik no script img

Das Maß des Erträglichen

■ "Posttotalitärer Katzenjammer" von Reinhard Mohr, taz vom 20.7.90

betr.: „Posttotalitärer Katzenjammer“ von Reinhard Mohr,

taz vom 20.7.90

(...) Das antisozialistische „delirante Geschwätz des elaborierten Schwachsinns“ von Antikommunismuskämpfer Mohr über den „posttotalitären Katzenjammer“ sprengt unter anderem mit seiner in Deutschland altbekannten Linksintellektuellenhatz und seiner aufdringlichen 'FAZ' -Lobhudelei endgültig das Maß des Erträglichen. Grass hat mit seiner scharfen Warnung vor „Hinrichtungsvorbereitungen“ so Unrecht wohl doch nicht und die vollkommen berechtigte Klage des PEN-Zentrum ist jetzt ganz klar auch gegen die taz zu richten: „postmoderner McCarthyismus“. Es ist widerlich.

Steffen Bücher, Berlin 46

Also, eins muß man dem Herrn Mohr ja lassen: kluger Kopf! Wie er da so die verblendeten Linken abseift - echt hintergründig! Diesem Marxisten Heiner Müller wollte ich auch schon immer die Wahrheit ins Gesicht drücken: Auschwitz Kapitalismus? Alles Käse! Marcuse, Hochhut, Adorno - ab in den Gulli damit! Und daß Psychoanalyse nur eine Idee (von vielen) ist, das ist mir auch schon lange bewußt! Ha! Ab jetzt machen wir Reklame für Multikulturelles - immer nur positiv reden und denken! Und endlich zitiert Ihr auch mal aus der 'FAZ‘ - längst überfällig! Einen „protestantischen Jargon der Eigentlichkeit“ - mehr, mehr, lächz!

Massenelend in Latinoamerika? Ham wa Null Bock auf! Und überhaupt: Endlich fragt mal einer, was denn wirklich an diesen spinnigen und wahrlich „deliranten“ Utopien dran ist: die Wirklichkeit, so wie sie ist - das wollen wir auf ewig! Hat nicht schon Nietzsche geschrieben: „Alle Lust will Ewigkeit“? Genauso, wie es heute ist, muß er es sich vorgestellt haben!

Schämen sollten sich alle Linken für ihre unbändige Begeisterung für den Osten - aber Adorno und Konsorten, diese Marx-Kopien, haben die nicht den 68ern schon vorgejubelt? Ja, ja, Horkheimer, dieser Enthusiast, nichts als Ulbricht im Kopf - schämen, ja schämen sollten sie sich alle! Da wagt es Adorno zu schreiben: „Dem Herrn gefällt die Welt nicht? Dann muß er sich eine bessere suchen“ - das ist die Umgangssprache des sozialistischen Realismus. (...)

Demokratie wollen wir, sei sie auch noch so vorgegaukelt Hauptsache, es heißt Demokratie! Freiheit, Kultur, Humanismus - das wollen wir! Immer diese Hinterfrager, von Adorno bis Honecker (alles eine Suppe!), kein Bock mehr auf! (...) Was wollt ihr denn? Maoam, Maoam!

Toni Engelbrecht, Hamburg (BRD)

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen