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Das Lockwort von der Selbständigkeit

■ Behörde will Referendare als Lehrer einsetzen und so 180 Planstellen einsparen

Sollen Hamburgs Referendare als Hilfslehrer mißbraucht werden? Diese Frage stellt sich der Deutsche Lehrerverband Hamburg (DL) nach Bekanntwerden eines behördeninternen Diskussionspapiers zur Neuordnung der Lehrerausbildung. Demnach sollen Referendare im 2. und 4. Ausbildungssemester künftig sechs Wochenstunden alleine unterrichten. Unter dem „Lockwort“ der Selbständigkeit, so das Resümee von DL-Sprecher Reinhard Behrends, sollen die Nachwuchslehrer angeregt werden, sich selber arbeitslos zu machen.

Zur Zeit gibt es in Hamburg rund 1000 Referendare, die am Staatlichen Studienseminar ihren zweiten Ausbildungsabschnitt absolvieren. Rechne man die Zahl der Zweit- und Viertsemestler hoch, so Behrends, könnten auf diese Weise 180 Planstellen eingespart werden. Das wären ebensoviele, wie im Haushalt 1994 durch die Streichung der sogenannten „Poolstunden“ entfallen.

Bislang müssen Referendare insgesamt 360 Stunden unterrichten, davon ein Drittel hospitieren und zwei Drittel in Gegenwart eines ausgebildeten Kollegen unterrichten. Der geplante „Stoß ins kalte Wasser“, so fürchtet auch die Mehrheit der Ausbilder am Studienseminar, könne nur zu einer Verschlechterung führen.

Schulbehördensprecher Ulrich Vieluf bestätigte gegenüber der taz, daß über den Einsatz von Referendaren diskutiert werde. Das leitende Motiv sei die „Verbesserung“ der Ausbildung. Eigenständigen Unterricht von Referendaren gebe es in allen anderen Bundesländern, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sei es üblich, Referendare als Teil des Stellenplans zu begreifen. Die Lehrerausbildung, so Vieluf, würde „zumindest nicht darunter leiden.“

Eigenständiger Unterricht mache nur Sinn, „wenn die Betreuung durch Mentoren ausgeweitet wird“, sagt hingegen GEW-Sprecherin Anna Ammon. „Die wird aber gelockert“, sagt DL-Sprecher Behrends. „Wenn man dies Papier liest, dann weiß man gar nicht mehr, wo die Mentoren noch eingreifen sollen“. Deren Unterstützung sei gerade Thema des Diskussionspapiers, beteuert Ulrich Vieluf. Abgesehen davon müßten „Sparen und Verbesserung“ keine Gegensatzpaare sein.

Daß der Vorschlag, Referendare einzusetzen, trotzdem als Sparmaßnahme verstanden wird, wird wohl daran liegen, daß der Hamburger Rechnungshof vor drei Monaten eben dies gefordert hat. kaj

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