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Archiv-Artikel

Das Leid sehen

Der neu aufgelegte niedersächsische Leitfaden gibt Hinweise zur Früherkennung von Kindesmisshandlungen

Von jb

Gestern stellte die niedersächsische Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) den neu aufgelegten Leitfaden zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder vor. Der von der Ärztekammer, der Landestelle Jugendschutz Niedersachsen und dem Sozialministerium erarbeitete Katalog soll Ärzten Hilfe im Umgang mit vernachlässigten Kindern bieten. Das Ministerium geht davon aus, dass bundesweit fünf bis zehn Prozent aller Kinder betroffen sind. Diese werden jedoch häufig nicht zum behandelnden Kinderarzt, sondern in Notfallambulanzen gebracht.

„Die aktuellen Erfahrungen haben gezeigt, dass selbst Menschen, die beruflich mit Kindern zu tun haben, nicht immer in der Lage sind, deren körperliches und seelisches Leid wahrzunehmen“, sagte Ross-Luttmann. Der Leitfaden gibt nicht nur Hinweise zur Diagnose, sondern auch Hilfestellung für die Ärzte beim Umgang mit betroffenen Kindern und Eltern.

„Es geht darum, den Blick des Arztes für latente Vernachlässigungen des Kindes zu schulen“, sagt Rolf Heyde, Sprecher der Ärztekammer Niedersachsen. So sind etwa Staublutungen im Auge oder Vergiftungen Diagnosen, an denen der behandelnde Arzt bei Verdacht auf Gewalteinwirkung „dran bleiben muss“, so Heyde. Ein beigefügtes Adressenverzeichnis soll für eine bessere Kooperation zwischen Kinderschutzbünden, Ärzten und Behörden sorgen, außerdem wird über die rechtlichen Rahmenbedingungen informiert.

Der Leitfaden ist bereits 1998 und 2001 erschienen. „Der Katalog wurde durch konkrete Fallbeispiele erweitert und gibt insbesonders auch für die Notaufnahme Ratschläge zur sofortigen Erkennung von Misshandlungen“, sagt Thomas Spieker, Sprecher des niedersächsischen Sozialministeriums, zu der Neuauflage.

Mechthild Ross-Luttmann bekräftigte ihre Forderung an den gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (GBA), die Inhalte der Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U10 auf einen neuen Stand zu bringen: „Nur Untersuchungen mit stärkerer Ausrichtung auf psychosoziale Probleme und Störungen von Kindern können Kinder- und Jugendärzte unterstützen und ihnen die notwendige Sicherheit geben.“ jb