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Archiv-Artikel

Das Lächeln zwischen alten Bierkrügen

Kapitän Dwight Yorke verkörpert den entspannten Erfolg von Trinidad und Tobago. Gelingt heute gegen England die nächste Sensation?

ROTENBURG/WÜMME taz ■ Diese Pressekonferenz ist wohl die schönste von Dwight Yorke. Hinter dem Strauß der Mikrofone ist er kaum zu erkennen. Nur ein erwartungsvolles Gesicht unter einem knallroten Basecap. „Das ist ein historischer Moment“, sagt er und lächelt. „In einer Million Jahre hätten wir nicht daran geglaubt.“ Im Heimatmuseum von Rotenburg an der Wümme sitzt Yorke. Zwischen uralten Bierkrügen, Forken und Kohleöfen. Heimat ist ein wichtiger Begriff in diesen Tagen. Das weiß Dwight Yorke, der Kapitän der Mannschaft.

Trinidad und Tobago trifft heute in Nürnberg auf England (18 Uhr). Das ist das Duell zwischen Zwerg und Riese, Exkolonie und Kolonialmacht. Für Yorke ist es mehr, er begegnet seiner Vergangenheit. 16 Jahre hat er in England gespielt, zuletzt für Manchester United. Im Stadion Old Trafford von Manchester sprechen sie von einer Legende. Yorke wurde Meister, gewann die Champions League, schoss Dutzende Tore. Für den Jungen, aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, der sich das Kicken barfuß am Strand beigebracht hatte, schließt sich der Kreis: „Dafür habe ich mein ganzes Leben hart gearbeitet.“ Er grinst pausenlos.

Eigentlich hatte er die große Bühne schon verlassen. Yorke, 34, trennte sich vor vier Jahren von Manchester im Streit. Trainer Alex Ferguson wollte auf seine Allüren keine Rücksicht nehmen. Der Holländer Ruud van Nistelrooy übernahm seine Rolle. Inzwischen kickt er beim FC Sydney, im Fußball-Entwicklungsland Australien. Dort schätzen sie ihn – doch verehrt wie in Manchester wird er nicht. Die meisten aus dem Team von Trinidad und Tobago spielen in England und Schottland: In den Niederungen des britischen Fußballs, in Wrexham, Gillingham oder Falkirk, in der zweiten, dritten und vierten Liga.

Dass Yorke überhaupt an diesem Tag auf dem Podium sitzt, ist einem grauhaarigen Holländer zu verdanken: Leo Beenhakker, 63, überredete ihn zu einer Rückkehr. Gemeinsam führten sie das Team des winzigen Inselstaates aus der Karibik zum ersten Mal zur WM. „Für Trainer sind Spieler wie Dwight ungemein wichtig. Sie können in wichtigen Spielen den Unterschied ausmachen“, sagt der Coach.

„Die Spieler werden mit einem Lächeln spielen“, prophezeit Beenhakker. Niemand symbolisiert den Stil des entspannten Erfolges besser als Yorke. Im ersten Vorrundenspiel gegen Schweden erkämpfte sich Trinidad und Tobago sensationell ein 0:0. Yorke lächelte, er wollte gar nicht mehr aufhören. Sollte sein Team gegen England gewinnen, würde in der Karibik der Karneval ausbrechen. Wahrscheinlich ist jedoch eine Niederlage – dann zumindest mit einem Lächeln. RONNY BLASCHKE