■ Ostblock-Zoos avancieren zum Reptiliengroßmarkt: Das Krokodil als Sammlerstück
Gladbeck (taz) – Juni 94. Auf dem Düsseldorfer Flughafen gelingt dem Zoll ein großer Fang. Einem Zollbeamten fällt ein Koffer in die Hände. Der Inhalt: rund 150 Foto-Filmdosen. Nur daß sich in den Döschen kein einziger Urlaubsfilm befindet, sondern etwa 400 Pfeilgift-Frösche.
Die geschützten südamerikanischen Hüpfer sind kostbar, auf dem Schwarzmarkt wird in der Regel ein Stückpreis von 500 bis zu 1.000 Mark damit erzielt. Der Koffer kam nicht etwa aus Südamerika, sondern aus dem Osten. Reptilienschmuggel. Daß sich das Geschäft lohnt, wissen alle Beteiligten. Denn es geht um Tiere, die auf legale Weise nur schwer oder überhaupt nicht zu haben sind.
Ob Stumpfkrokodile aus Zentralafrika, Riesenkröten aus Kolumbien oder australische Bartagame, je seltener das Tier, desto höher der Preis. Und der interessiert echte Sammler überhaupt nicht. Das Sammeln ist wie eine Sucht. Und die Sucht der anderen macht die Händler reich – und erfinderisch. Dabei ist es heute einfacher denn je, an geschützte Tiere zu gelangen. Der Niedergang der ehemaligen Ostblockstaaten macht's möglich, daß die Zoologischen Gärten in Rußland, Georgien, Polen und Tschechien zum Reptiliengroßmarkt mutieren. Was dort in den Gehegen kreucht, verschwindet morgen vielleicht schon in den Kellern bundesdeutscher Sammler oder taucht auf Reptilienbörsen auf. Kenner der Szene reden von einer Mafia, die den Markt fest im Griff hat. Gefängnisstrafen in den Herkunftsländern oder in den Ländern des ehemaligen Ostblocks schrecken sie nicht ab.
In Mosambik ist unlängst ein Schmuggler in einem gesperrten Waldstück erschossen worden. Als die Miliz die Gruppe stellte, kam es zum Handgemenge. Dann löste sich ein Schuß.
Da ist der Einkauf in Osteuropa sehr viel unkomplizierter. Die Zoowärter in Moskau und Eriwan leben an der Armutsgrenze. Gegen ein kleines Trinkgeld kneifen sie beide Augen und Ohren zu. So werden ganze Gehege geschützter Arten leergekauft – meistens sogar direkt auf Bestellung.
Leonhard Bierl, Pressesprecher des Zollkriminalamtes Köln, kennt die Problematik: „Uns gehen zwar regelmäßig Gelegenheitsschmuggler ins Netz, die sich ihre geschützte Schildkröte aus Griechenland in den Teich setzen wollen. Nur gegen die organisierten Händlerringe haben wir so gut wie keine Chance.“ Wie auch? Eine Kontrolle ist so gut wie aussichtslos, denn die Tiere können sich faktisch in jedem beliebigen Gepäckstück befinden.
Auch die Händler in Deutschland werden immer dreister. Mit eindeutigen Kleinanzeigen preisen sie ihre Ware an. Sie wissen, wenn überhaupt, reagieren die unteren Landschaftsbehörden nur schleppend. Und wenn es sein muß, kommt ein geschmuggeltes Tier auch ganz legal an Brief und Siegel. Ein Beispiel: Ein Sammler besitzt für zwei Schildkröten eine Zuchterlaubnis. Das Weibchen legt drei Eier, fünf Junge werden hinzugekauft, acht Papiere werden beantragt. Danach gehen die Tierchen zum Freundschaftspreis über die Theke. In Videohüllen und Schrankkoffern kommen die Tiere nach Deutschland. Händler kalkulieren mit einem Drittel Verlust. Die Tiere ersticken oder trocknen aus, wenn die Koffer zu lange in der Hitze gelagert werden. So verenden immer mehr geschützte Arten aus reiner Geldgier. Die Reptilienmafia breitet sich derweil aus. Der Kreis der Eingeweihten ist klein. Wer plaudert oder konkurriert, hat nichts zu lachen. Sachbeschädigung und Körperverletzung als effektive Druckmittel sind auch hier in Deutschland an der Tagesordnung. Dirk Borowski
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