Das Hörspiel der Woche:: „Weg in den Dschungel“ von Kai Hensel
Mmmh ... Eingeborenenschenkel
„Seit elf Jahren mach ich Urlaub in dem Hotel, nicht eine Fleischfliege hab ich gesehen. Jetzt ist alles voll davon.“ Kein Wunder. Das Barbeque brennt an. Spezialität: Eingeborenenoberschenkel. Und Fleischfliegen lieben Eingeboren-Angebranntes.
Unappetitlich geht es zu im Hörspiel von Kai Hensel. Auf dem „Weg in den Dschungel“ sind Cynthia, Helmut, Keno, Michael und Anne. Ein buntes Häuflein Wohlstandsgesellschaft, das die Fleischeslust wörtlich nimmt. Es ist die Lust am Fleisch, ob auf dem Zimmer zerteilt oder als Gericht auf dem Herd, die Urlauber sind die Unterdrücker, die Eingeborenen die Opfer.
Im Hintergrund der Dialoge: Bedrohliche Buschtrommeln. Mit steigender Trommelfrequez beginnen die Ureinwohner sich gegen die Verwertung ihrer Gesellschaft aufzulehen. Angst macht sich breit im Urlaubsparadies. Keno (Derval de Faria), Besitzer der Gourmetherberge, weiß nicht was er tun soll. Seine Existenz steht auf dem Spiel. Die Idee: Ein Opfer muss her, natürlich ein Menschenopfer. Cynthia (Leslie Malton), gestresste mittdreißiger Top-Managerin, verstößt gegen die Regeln. Zu ausgefallen sind ihre perversen Spiele, sie benutzt nicht den vorgesehenen Kachelraum, nein, sie versaut ihr Hotelzimmer. Für Keno ist sie das perfekte Opfer, die Eingeborenen ruhig zu stellen.
Der Autor Kai Hensel (Jahrgang 1965) ist im Dialoggeschäft kein Unbekannter. Als Werbetexter begonnen, schreibt er für Radio, Print und Fernsehen. Er war Ghostwriter für Erika Berger und Gagschreiber für „RTL Samstag Nacht“, ohne ernstere Stoffe auszulassen, wie die Dostojewski-Stücke in Lübeck und den 1995 gedrehten Film „Kismet“. Hensel schreibt zügig und gemein. In „Weg in den Dschungel“ lässt er die Zuhörer sehr spät erahnen, welche unschmackhaften Spielereien das Urlaubsressort parat hat.
Star der Hörgroteske ist Cynthia alias Leslie Malton. Zickig und hinterhältig ähnelt sie ihrer Rolle als geldgierige Börsenmaklerin in Wedels „Der große Bellheim“, der ihr 1992 den Durchbruch als Schauspielerin bescherte.
Wunderbar auch der Hotelchef Derval de Faria als Keno, der sich in Ethikfragen bestens auskennt. Widersprüchlicher geht’s gar nicht mehr, wenn Keno mit seinen Hotelangestellten über das Richtig oder Falsch von Menschenopfern spekuliert. „Wissen Sie, im Leben geht es darum sich einen Stern vom Himmel zu holen. Sie müssen leben, verstehen Sie das?! Und nehmen Sie endlich das verkohlte Fleisch vom Herd!“
Hannes Krug
„Weg in den Dschungel“ von Kai Hensel ist knapp 50 Minuten lang und heute Abend ab 22.05 Uhr im Nordwestradio auf 88,3 MHz zu hören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen