: „Das Gesetz ist sehr niederschwellig“
taz-Serie Bürgerbegehren (Teil 5): Das Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Bethanien läuft gut, sagt Simone Kypke von der Initiative Zukunft Bethanien (IZK). Sie bedauert bloß, dass nicht alle Kreuzberger stimmberechtigt sind
taz: Frau Kypke, der Verkauf des Bethanien an einen privaten Investor ist de facto vom Tisch. Warum hält Ihre Initiative trotzdem am Bürgerbegehren fest?
Simone Kypke: Der Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vom 23. November hat nicht alle unsere Forderungen aufgegriffen. Die Parteien haben sich lediglich auf eine Erweiterung dessen geeinigt, was man sich ursprünglich als Konzept ausgedacht hatte. Das heißt: Das Bezirksamt könnte auch weiterhin den Verkauf an einen privaten Investor erwägen. Die BVV hat nun eine Arbeitsgruppe gegründet, die für das Hauptgebäude des Bethanien ein neues Konzept erarbeiten soll. Allerdings waren wir an der Planung der Arbeitsgruppe nicht beteiligt. Unsere Forderung lautet: Die Bürger sollen entscheiden, was mit dem Bethanien geschehen soll. Bis zur ersten Runde halten wir auf jeden Fall am Bürgerbegehren fest.
Konnten Sie sich vor einem halben Jahr vorstellen, dass sich das Instrument des Bürgerbegehrens mal als so nützliches Instrument für Ihr Anliegen erweisen würde?
Die Frage hat sich uns so gar nicht gestellt. Kaum war das Gesetz draußen, haben wir uns gesagt: Das probieren wir aus. Wir waren ja die Ersten in Berlin.
Wie bewerten Sie den bisherigen Verlauf?
Das Gesetz hat sich in Berlin als sehr niedrigschwellig erwiesen. So müssen nicht die Antragsteller eine Kostenschätzung abgeben. Das wäre sicherlich ein großes Hemmnis gewesen.
Es gibt nichts, was Sie am Verfahren kritisieren?
Doch. Wir finden es zum Beispiel falsch, dass nicht alle Anwohner stimmberechtigt sind. Zumindest auf Bezirksebene sollten Anwohner aller Nationen befragt werden und nicht nur EU-Bürger ab dem 16. Lebensjahr. Besonders in Kreuzberg gibt es sehr viele Menschen, die keinen EU-Pass haben, von Entscheidungen des Bezirks aber sehr wohl betroffen sind.
Die vielen Formalitäten haben Ihnen keine Probleme bereitet?
An sich nicht. Nur das Bezirksamt zeigt sich nicht immer kooperativ. In dem Moment, in dem man ein Bürgerbegehren beantragt, hat man eigentlich Anspruch auf Akteneinsicht durch das Informationsfreiheitsgesetz. In einigen Punkten war das Bezirksamt auch auskunftsfreudig. Doch wichtige Unterlagen wie das Sanierungsgutachten und das Gutachten des Verkehrswertes des Gebäudes werden uns bis heute vorenthalten. Begründung: Es handle sich um laufende Verhandlungen, deren Unterlagen nicht herausgegeben werden könnten. Das erschwert uns die Arbeit ungemein.
Wie ist denn die Resonanz unter Kreuzberger Bürgern?
Es haben sich viele Leute gemeldet, die sagen: Ich finde es klasse, was ihr macht, und bieten ihre Unterstützung an. Aber auch die Anwohner, die sich unseren Forderungen nicht fraglos anschließen, zeigen Interesse. Viele Leute hier im Kiez wussten gar nicht, dass das Bethanien privatisiert werden soll. Dass wir überhaupt diese Informationsarbeit leisten müssen, ist natürlich ein weiteres Versäumnis des Bezirks und zeigt, wie intransparent das Verfahren bisher ablief.
Aber es scheint auch Gegenwind zu geben.
Leider haben wir mit jemandem Ärger, der unmittelbar aus dem Hause kommt. Der Geschäftsführer des Künstlerhauses fühlt sich offenbar durch unser Bürgerbegehren bedroht. Das ist natürlich überhaupt nicht unsere Absicht. Er hat uns bis heute nicht plausibel begründet, warum wir nicht in guter Nachbarschaft miteinander auskommen können. Ich gehe aber fest davon aus, dass wir bald eine Gesprächsebene finden werden, auf der wir vernünftig alle Probleme besprechen können.
Dass Ihre Initiative wirklich die 6.000 benötigten Unterschriften bekommt, ist keineswegs sicher. Noch offener ist der Ausgang in der zweiten Runde, wenn über Ihr Anliegen abgestimmt wird. Werden Sie sich dem Votum der Bevölkerung beugen?
Selbstverständlich. Uns war es wichtig, die Leute zu fragen. Wenn das Votum lautet: Nö, wir wollen, dass das Gebäude privatisiert wird, dann hat eben das Volk gesprochen. INTERVIEW: FELIX LEE