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Archiv-Artikel

Das Georgia-Desaster

Wie George W. Bush während des Kaukasuskrieges ein bedauerlicher Fehler unterlief

Fort Gordon, Georgia. Hier, im schwülheißen amerikanischen Süden, befindet sich das Signal Center der U. S. Army. Vergangene Woche befehligte Kommandeur Jeffrey W. Walker seine Truppe während eines Manövers in den Sümpfen im Hinterland von Savannah. Blau gegen Rot, freie Welt gegen Achse des Bösen. Soweit der militärische Alltag. Doch plötzlich tauchen F1-Kampfjets auf und machen militärischen Ernst. Sie nehmen die Jungs der Roten unter Beschuss. Resultat des Überraschungsangriffs: 14 Tote, 33 Verletzte und jede Menge zerstörte Hightechausrüstung. „Das war friendly fire, und dazu noch im eigenen Land“, staunte General Walker, der es immer noch kaum glauben kann, dass die U. S. Air Force seine Manöver-Roten in Sekundenschnelle auslöschte.

Der Befehl für den verhängnisvollen Luftschlag kam von ganz oben, aus dem Weißen Haus, und war das Ergebnis einer nicht untypischen Kommunikationspanne. Nachdem die russische Armee trotz versprochenen Rückzugs weiter auf die georgische Hauptstadt vorrückte, reagierte der amerikanische Präsident George W. Bush spät, dafür aber umso entschlossener. „Bomb the russians out of Georgia!“, soll Bush ins Telefon gebrüllt haben. Pech für die beschossene Elitetruppe des Signal Corps, dass der kaukasische Kleinstaat auf Englisch ebenfalls „Georgia“ heißt – genauso wie der Bundesstaat im Südosten der USA. „Die beiden Staaten kann man schon mal verwechseln“, versuchte General Walker die mangelhaften Geografiekenntnisse der amerikanischen Führung zu rechtfertigen, die auch in der Vergangenheit schon häufig der Grund für spektakuläre Missverständnisse waren. „Schließlich liegen beide Staaten tief im Süden.“ Auch Lieutenant John Wilkie, dem Piloten eines Kampfjets, der seine eigenen Kameraden beschossen hatte, war es einigermaßen merkwürdig vorgekommen, dass sich beim Anflug auf die „russischen“ Stellungen statt des majestätischen Kaukasus-Gebirges die endlose Weite einer sumpfigen Ebene vor ihm ausdehnte. „Geografie war noch nie meine Stärke“, meint der sympathische Draufgänger, „aber Befehl ist nun mal Befehl.“

Der Gipfel der peinlichen Verwechslungen war damit aber noch längst nicht erreicht. Der trotz eindringlicher Warnungen seiner Berater erstaunlich beratungsresistente George W. Bush ließ es sich nicht nehmen, nach „Georgia“ zu fliegen, um dem Land Hilfe zu bringen im Kampf gegen die russische Bedrohung. Sonny Perdue, der Gouverneur Georgias, schildert die denkwürdige Begegnung mit dem Präsidenten: „Als die Air Force One in Atlanta gelandet war, erschien Präsident Bush in der Ausgangstür und winkte uns zu. Dann kam er herunter, umarmte mich und begrüßte mich mit Mr. Saakaschwili. Während der Fahrt zu meinem Amtssitz versuchte ich, ihn schonend auf den Irrtum aufmerksam zu machen, aber er war nicht ganz bei der Sache. Wohl weil er Schwierigkeiten hatte, den Namen auszusprechen, fragte er schließlich, ob er mich Michail nennen dürfe.“ Und es blieb nicht bei dieser Fehlleistung. Als die beiden Politiker an einer heruntergekommenen Häuserzeile mit Abbruchhäusern vorbeifuhren, hielt Präsident Bush dies für von den Russen zerstörte Gebäude.

Bald darauf trafen erste Hilfsgüter im Hafen von Brunswick, Georgia, ein. Nelly Cortez, Sozialhilfeempfängerin und alleinerziehende Mutter dreier Kinder, war eine der Begünstigten. Sie wunderte sich schon über die unerwartete Hilfslieferung, die aus Dosenfleisch, Milchpulver und einem gebrauchten Fernsehsessel mit grünem Samtbezug bestand. „Aber die Sachen können wir alle gut gebrauchen. Wir werden von der Regierung ja sonst nicht allzu sehr verwöhnt.“ Nicht ganz so glücklich hingegen war der arbeitslose Autospengler Jonathan Portman aus Claxton mit den ihm zugeteilten Hilfsgütern. „Was, bitte schön, soll ich mit 350 Bibeln in georgischer Sprache?“ RÜDIGER KIND