Das Ende von Bella Block: Die anstrengende Alte
Bella Block checkt alles - außer ihre E-Mails: In "Am Ende des Schweigens" geht sie in Rente (Sa., 20.15 Uhr, ZDF).
Der Psychologe legt eine Kordel auf den Tisch und biegt ein Drittel davon im rechten Winkel zu ihr hin: Das sei der Rest ihres Lebens, über den denke sie jetzt bitte mal nach. Bella Block (Hannelore Hoger) wird in dieser Doppelfolge wirklich übel mitgespielt. Alle wollen nur ihr Bestes, alle wollen sie zum Leisetreten zwingen. Der Lebensgefährte möchte sie zur Hobbyseglerin erziehen, der neue Chef attestiert ihr ein Burnout-Syndrom, und die Polizeipraktikantin vergleicht sie mit der eigenen Oma.
Tatsächlich sieht die Ermittlerin in "Am Ende des Schweigens" (Regie: Markus Imboden) so alt aus wie noch nie: Ein Attentat hat eine Kehlkopfquetschung hinterlassen, zeitweise kann Block nicht mehr sprechen. Erst ächzend, dann krächzend, erst raufend, dann saufend begehrt sie gegen sämtliche Beschwichtigungsversuche und Pflegeattacken auf. Doch in den schönen Glas-und-Stahl-Räumlichkeiten des neuen Polizeireviers wirkt sie tatsächlich wie ein lebender Anachronismus. Ihren E-Mail-Account, in dem sich die Mails ihres Chefs stapeln, hat sie natürlich auch noch nie benutzt. Umso einfacher, die anstrengende Alte langsam in die Altersteilzeit rutschen zu lassen.
Ganze 180 Minuten hat man der Fernsehkommissarin eingeräumt, damit sie sich aus der schönen neuen Arbeitswelt absentieren kann. Auf wehmütige Abschiede wie unlängst bei den "Tatort"-Kollegen Palü oder Ehrlicher hat man zum Glück verzichtet, da wird nicht melancholisch der Rotwein geschwenkt und auch nicht ins Abendrot geritten. Scheiden bedeutet hier echten Schmerz, der Job- geht mit dem Sprachverlust einher.
Der eigentliche Fall gerät bei so viel Augenmerk auf die persönliche Krise der Kriminalistin allerdings ein wenig ins Hintertreffen: Eine junge Mutter wurde halb totgeprügelt und dann erstickt, der Schlägerfreund (Thomas Schmauser) ist der perfekte Verdächtige. Das Buch, obwohl mit Beate Langmaack und Katrin Bühlig von gleich zwei der klügsten Fernsehautorinnen des Landes verfasst, verliert immer wieder die kriminalistischen Zusammenhänge aus dem Blick.
Umso schmerzvoller werden Blocks Schweigen und ihre Sprachlosigkeit gezeigt, die hier in stillem Wüten dem Ende ihrer Beamtenlaufbahn und ihrer zerbrochenen Beziehung entgegensieht. Am Ende kann sie es doch nicht lassen, einen griesgrämigen Blick auf die Kollegen zu werfen. Den muss man so deuten, dass sie auch nach der Rente noch Rufbereitschaft hat. Wäre ja auch nicht auszuhalten, wenn am Samstag nur noch die Gute-Laune-Langweiler "Wilsberg" und "Stubbe" Dienst schöben - und die übellaunige Checkerin Block Fernsehgeschichte würde.
Zweiter Teil am Montag, 20.15 Uhr
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