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Das Ende von Bella BlockDie anstrengende Alte

Bella Block checkt alles - außer ihre E-Mails: In "Am Ende des Schweigens" geht sie in Rente (Sa., 20.15 Uhr, ZDF).

Erst ächzend, dann krächzend, erst raufend, dann saufend: Bella Block. Bild: ard/stephan persch

Der Psychologe legt eine Kordel auf den Tisch und biegt ein Drittel davon im rechten Winkel zu ihr hin: Das sei der Rest ihres Lebens, über den denke sie jetzt bitte mal nach. Bella Block (Hannelore Hoger) wird in dieser Doppelfolge wirklich übel mitgespielt. Alle wollen nur ihr Bestes, alle wollen sie zum Leisetreten zwingen. Der Lebensgefährte möchte sie zur Hobbyseglerin erziehen, der neue Chef attestiert ihr ein Burnout-Syndrom, und die Polizeipraktikantin vergleicht sie mit der eigenen Oma.

Tatsächlich sieht die Ermittlerin in "Am Ende des Schweigens" (Regie: Markus Imboden) so alt aus wie noch nie: Ein Attentat hat eine Kehlkopfquetschung hinterlassen, zeitweise kann Block nicht mehr sprechen. Erst ächzend, dann krächzend, erst raufend, dann saufend begehrt sie gegen sämtliche Beschwichtigungsversuche und Pflegeattacken auf. Doch in den schönen Glas-und-Stahl-Räumlichkeiten des neuen Polizeireviers wirkt sie tatsächlich wie ein lebender Anachronismus. Ihren E-Mail-Account, in dem sich die Mails ihres Chefs stapeln, hat sie natürlich auch noch nie benutzt. Umso einfacher, die anstrengende Alte langsam in die Altersteilzeit rutschen zu lassen.

Ganze 180 Minuten hat man der Fernsehkommissarin eingeräumt, damit sie sich aus der schönen neuen Arbeitswelt absentieren kann. Auf wehmütige Abschiede wie unlängst bei den "Tatort"-Kollegen Palü oder Ehrlicher hat man zum Glück verzichtet, da wird nicht melancholisch der Rotwein geschwenkt und auch nicht ins Abendrot geritten. Scheiden bedeutet hier echten Schmerz, der Job- geht mit dem Sprachverlust einher.

Der eigentliche Fall gerät bei so viel Augenmerk auf die persönliche Krise der Kriminalistin allerdings ein wenig ins Hintertreffen: Eine junge Mutter wurde halb totgeprügelt und dann erstickt, der Schlägerfreund (Thomas Schmauser) ist der perfekte Verdächtige. Das Buch, obwohl mit Beate Langmaack und Katrin Bühlig von gleich zwei der klügsten Fernsehautorinnen des Landes verfasst, verliert immer wieder die kriminalistischen Zusammenhänge aus dem Blick.

Umso schmerzvoller werden Blocks Schweigen und ihre Sprachlosigkeit gezeigt, die hier in stillem Wüten dem Ende ihrer Beamtenlaufbahn und ihrer zerbrochenen Beziehung entgegensieht. Am Ende kann sie es doch nicht lassen, einen griesgrämigen Blick auf die Kollegen zu werfen. Den muss man so deuten, dass sie auch nach der Rente noch Rufbereitschaft hat. Wäre ja auch nicht auszuhalten, wenn am Samstag nur noch die Gute-Laune-Langweiler "Wilsberg" und "Stubbe" Dienst schöben - und die übellaunige Checkerin Block Fernsehgeschichte würde.

Zweiter Teil am Montag, 20.15 Uhr

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5 Kommentare

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  • SL
    Susanne Logoz

    Wirklich schade Bella hat mir hier in der französischen

    Schweiz spéziel gut getan !!!

    Hoffentlich gibt es noch einen kleinen Retour mit Ihr !!

  • F
    Frömming

    geschockt und traurig, das war mal eine Serie mit Format! Tschade passte wohl nicht in den seichten ZDF Reigen hinein. Ich hoffe, dass die bemerkenswert andere Serie weitergeführt wird und wir noch häufig-doe Hoger in Hochform bestaunen können...

  • S
    siggi

    Nichts gegen den chronisch pleiten Provinz-Looser Wilsberg, immer was aufs Maul aber nicht unterzukriegen. Und nichts gegen den sächselnden, radfahrenden Familien-Menschen Stubbe und seinen pfiffigen Anhang. Und nichts gegen die mürrisch-eigensinnige Bella Block, die auch dem intellektuelleren Publikum gerecht wird. Ich möchte sie alle nicht missen, auch wenn Wilsberg und Stubbe leichtverdaulicher angelegt sind als Bella Block. Die agressiven 'Reality'-Krimis mit ihrer aufdringlichen Dramaturgie und toughen Typen törnen auch nicht jeden an.

    Bella muss bleiben – wie sie ist!

  • J
    Jule

    Bella Block alias Hannelore Hoger hat mich am Anfang sehr geärgert – war sie doch so ganz anders als in der literarischen Vorlage. Ich gab dieser Interpretation und Filmfigur trotzdem eine Chance – welch Glück.

     

    Denn diese TV-Krimis sind von ungewöhnlicher Dichte und Erzählkraft. Schade vielleicht, dass Bella sehr bald nach Serienstart ihren etwas abgründigen Lebensstil aufgab; nicht so aber ihr Temperament und ihre Launen: mal unerträglich still, mal laut, aggressiv und wütend, manchmal ungerecht, immer gnadenlos direkt und echt und überschäumend vor Lebenskraft. Das und die wirklich guten Drehbücher, die Zeit bekommen, sich mit all ihren grausamen Alltagsinhalten zu entfalten, besetzt mit Schauspielern, die »bella« Hoger zu Seite stehen und stets mithalten können, machen die Serie zu einem Fernsehjuwel in dem sonst häufig immer gleichen, seichten TV-Einerlei.

     

    Ich hoffe sehr, dass uns diese außergewöhnliche Reihe mit all ihrer Realität und Wucht erhalten bleibt.

  • K
    Kasulke

    Das ist doch mal wieder typisch für das ZDF, daß so eine geniale, ich zitiere den Autor, "Checkerin" in TV-Rente geschickt wird, bzw. wie werden soll. Wie man in gut unterrichteten Kreisen allerdings hört, soll Bella ja jetzt einen größeren Aktionsradius über Hamburg hinaus bekommen u. ihre Aktionen sollen sich nicht mehr nur noch auf profanen Mord-u. Totschlag beschränken. Man fragt sich allerdings was Bella denn sonst so "erschnüffeln" soll in ihrer einmalig übellaunigen u. launischen Art. Nicht, daß das ZDF noch einen weiblichen "Capellari" aus Bella Block zusammenbastelt, damit sie ZDF-kompatibler wird. Das wäre jammerschade !!! Denn, wie der Autor so schön schrieb (sinngemäß), nur noch Stubbe u. Wilsberg, nein, das wäre denn doch auf die Dauer zu öde. Ein gerüttelt Maß an Aufmüpfigkeit hat noch nie geschadet.

    Also, wohl doch eher eine Art Unruhestand ???