Das Dreamteam der EU: Europas ungeschminktes Gesicht
Mit ihren Stellenbesetzungen haben die europäischen Staatschefs klargemacht, was sie vom neuen Führungspersonal erwarten: Es soll schlichten, nicht repräsentieren.
BRÜSSEL taz | Weniger Glamour war selten. Das neue europäische Dreamteam, das sich am Donnerstagabend durch den Pulk von Journalisten schiebt, räumt mit dem Vorurteil auf, dass nur schöne Menschen in der Mediendemokratie eine Karrierechance haben. Der zierliche Herman Van Rompuy, dem zwei zerzauste silberfarbene Pelzchen links und rechts der Glatze kleben, und die Baroness Catherine Ashton, eine ungeschminkte und schlecht frisierte Frau mit Doppelkinn, scheinen von dem Andrang ein wenig überwältigt. Doch als sie dann sprechen, klingen beide sehr unaufgeregt und gelassen.
"Wie überrascht ich bin, können Sie daran sehen, dass ich keine vorbereitete Rede habe", sagt die neue europäische Außenministerin. - "Ich habe mich nicht um dieses Amt bemüht, aber von heute Abend an werde ich es mit Enthusiasmus ausfüllen", sagt der belgische Ministerpräsident. Die Ernennung bedeute eine Anerkennung für ganz Belgien. Die belgische Presse jubelt am nächsten Tag von Flandern bis in die tiefste Wallonie einhellig. Im Überschwang wird vergessen, dass demnächst wohl wieder Expremier Yves Leterme an die Spitze Belgiens rücken und neuerlich heftigen Streit zwischen den beiden Landesteilen lostreten wird.
Mit der Wahl Van Rompuys haben die europäischen Staatschefs klargemacht, wie sie das nur vage im Lissabon-Vertrag beschriebene neue Amt verstehen. Der neue Ratspräsident soll tun, was er in Belgien schon geübt hat: im Hintergrund Streit schlichten, Kompromisse sondieren und Einigungen vorbereiten, die dann viermal im Jahr in einen möglichst reibungslosen EU-Gipfel münden. Die Chefs in den nationalen Hauptstädten wollen keinen europäischen Präsidenten, der ihnen die Schau stiehlt. Die Interessen ausgleichende, zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten vermittelnde Funktion ist deutlich wichtiger als der Anspruch, Europa in der Welt mehr Gewicht zu verschaffen.
Gleich nach seiner Ernennung machte Van Rompuy klar, dass er die Botschaft verstanden hat. "Unsere Einheit ist unsere Stärke, unsere Vielfalt ist unser Wert", las er vom vorbereiteten Manuskript ab. "Wir bringen alle unterschiedliches Gepäck mit, daran werde ich immer denken. Bei Verhandlungen sollte es keine Verlierer geben, ich werde sorgfältig auf jeden hören." Streng nach Proporz achtete der neue Ratspräsident darauf, seine Rede knapp zur Hälfte auf Englisch und auf Französisch zu halten. Dazwischen sprach er ein paar Worte Flämisch. Selbstverständlich werde er die Arbeit erst zum 1. Januar aufnehmen und bis dahin dem schwedischen Premier Fredrik Reinfeld die europäische Bühne überlassen.
Während das Arbeitsfeld des Belgiers damit eng abgesteckt ist, erwartet Catherine Ashton ein so riesiger Berg an Aufgaben, dass er von einer Einzelnen kaum bewältigt werden kann. Zunächst einmal wird sie weiterhin die Rolle der britischen EU-Kommissarin ausfüllen, also an den wöchentlichen Sitzungen der Barroso-Kommission in Brüssel teilnehmen und dort die Interessen Großbritanniens vertreten. Zusätzlich wird sie die repräsentativen und diplomatischen Aufgaben übernehmen, die bislang Javier Solana wahrgenommen hat. Der war aber so gut wie nie in Brüssel, sondern meistens im Flugzeug. Schließlich wird sie die Chefin über einen neuen Apparat aus 7.000 Diplomaten mit einem Millionenetat. An einer solchen Herkulesaufgabe könnte auch jemand mit deutlich mehr Erfahrung scheitern.
Neuer Streit zwischen den Institutionen ist auch schon programmiert. Die Haushaltsexperten des EU-Parlaments drängen darauf, dass der neue diplomatische Dienst an die EU-Kommission angedockt wird, damit sie über die Verteilung des Budgets mitentscheiden können. Die CDU-Haushaltsexpertin Inge Gräßle rechnet vor, dass der Stellenplan der EU-Kommission für die Delegationen im Ausland zum 1. April 2009 nur 984 Stellen ausweist. Dort arbeiten aber mehr als 5.000 Diplomaten, die zum Großteil über Projektmittel finanziert werden. "Der Mangel an Transparenz gibt Anlass zu Befürchtungen, dass im neuen diplomatischen Dienst weitere Mitarbeiter aus den Mitgliedstaaten und dem Rat dazukommen und das geltende Recht für diesen Dienst ,zurechtgebogen' wird," fürchtet Gräßle.
Die Verfassungsrechtler im Europaparlament verlangen, dass Catherine Ashton ihre Arbeit erst dann aufnimmt, wenn die gesamte neue Barroso-Kommission, zu der ja auch die neue Außenministerin gehört, vom Europaparlament angehört und bestätigt worden ist. Der Rat hingegen will, dass Asthon schon am 1. Dezember anfängt. Dabei wäre es doch nahe liegend, dass neue Dreamteam gemeinsam zu Neujahr starten zu lassen.
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