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Archiv-Artikel

Das Drama des Täters

In Frankfurt wurde der Fall des ermordeten Bankierssohns Jakob Metzler als Theaterstück auf die Bühne gebracht. Der befürchtete Skandal aber blieb aus

Lokalpolitiker und Kulturschaffendehatten die Aufführungim Vorfeld kritisiert

Theater, das sich um Tagesaktualität bemüht, hat so seine Tücken: Schnell lässt sich dahinter der bloße Wille zur Vermarktung von Skandalen, Katastrophen und kriminellen Machenschaften zu Zwecken der Unterhaltung vermuten. Solche Absichten witterten auch viele, als bekannt wurde, dass der Autor und Regisseur Wolfgang Spielvogel ein Zweipersonenstück für die Bühne geschrieben habe, das die Entführung und Ermordung des zwölfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler im September 2002 zur Folie nimmt.

In Frankfurt am Main löste er damit einen veritablen Skandal aus: Wochenlang wurde darüber debattiert, ob er das dürfe und ob dies überhaupt sein solle. Lokale Politiker und Kulturschaffende ereiferten sich über die angebliche Pietätlosigkeit und das diese auch in der Kunst eigentlich verboten sein müsse.

Am Donnerstagabend nun feierte das Stück „Die Zweite Haut“ seine Premiere in der Spielstätte „Brotfabrik“ im Stadtteil Hausen. Und siehe da: kein lokaler Skandal, auch keine Provinztheaterposse und Peinlichkeit. Es gab keine Buhrufe und keine Pfiffe. Mit gutem Grund, denn Spielvogel hatte ein gutes Stück mit hervorragenden Schauspielern inszeniert und damit jeder weiteren Debatte den Boden entzogen.

Sein Stück stellt einen ichschwachen, geltungssüchtigen, dem Konsum verfallenen, liebesunfähigen, gefühlsarmen und dazu feigen Mörder in den Mittelpunkt. Christof Fleischer spielt den Mann, der sich selbst nicht kennt und sich nur von der Außenwelt gespiegelt wahrnimmt, mit sparsamer Körperlichkeit und verschreckenden Monologen. Die Aggression ist verdeckt. Die Äußerlichkeiten, die modischen Attribute machen ihn aus, halten ihn zusammen: Da sitzt die Markenkleidung, die Unterhose von Calvin Klein „wie eine zweite Haut“.

Das Stück verweigert die Handlung, es ist reines Sprechtheater. Vor schwarzem Hintergrund und nur mit spärlichen Requisiten wird in verschiedenen Szenen die Psyche des Täters ausgeleuchtet. Sein Widerpart ist eine imaginäre Frau – Mutter, Hure, fiktive Geliebte und Opfer zugleich –, getanzt von Sandra Baumeister.

„Du bist hohl“, sagt die Frau, „Du musst essen“, sagt die Mutter. Wolfgang Spielvogel zitiert aus den Prozessakten. „Ich bitte um ein Urteil, das mein Leben nicht vernichtet“, sagte der Mörder in seinem Schlusswort vor Gericht.

„Die zweite Haut“ bezieht künftigen Dramenstoff mit ein. Im November beginnt in Frankfurt der Prozess gegen den ehemaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner. Der hatte nicht nur für lokale, sondern für bundesweite Debatten gesorgt, als er eingestand, dem Mörder von Jakob von Metzler bei dessen Vernehmung mit Folter gedroht zu haben.

Was, könnte die Fragestellung für den nächsten Akt heißen, treibt Täter anderswo in der Welt und am Main dazu, zum potenziellen Folterer zu werden? Spielvogel lässt seinen Hauptdarsteller am Ende des Stückes sagen: „Ich kann Schmerzen nicht ausstehen. Ende. Aus!“

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