piwik no script img

Das Ding, das kommtAm Tisch der KönigInnen

Am Kickertisch treffen eingeschworene KneipensportlerInnen aufeinander. Die weltbesten TischfußballerInnen messen sich jetzt in Hamburg Foto: DocteurCosmos/Wikimedia Commons

Der Nettelnburger ist einer, der in Nettelnburg wohnt, einem Ortsteil von Hamburg-Bergedorf. Oder aber einer, der kriecht, rumeiert, sich windet und krümmt – aber trotzdem noch irgendwie sein Ziel erreicht. Ersteren kennen zumindest die Leute in Bergedorf, den zweiten kennen nur die, die sich nachts in Hamburger Kneipen herumtreiben. Die, die statt am Tresen am Tisch stehen: am Kicker. In Hamburg trifft man die KönigInnen der Tische rund um den „Berg“ – den Hamburger Berg, eine Nebenstraße der Reeperbahn. Man erkennt sie an den Schwielen an den Händen, am prüfenden Blick zum Tisch, oft an der Mate statt dem Bier. Sie kennen jede Eigenheit der Tische in den unterschiedlichsten Kneipen im Viertel und wissen sie zu nutzen.

Manches Team, zumeist in derselben Besetzung unterwegs, steht den ganzen Abend am Tisch: selbstsicher, verschwitzt, meist unbesiegbar und müde lächelnd, wenn sich jemand Unbekanntes an „ihren“ Tisch wagt und das obligatorische 50-Cent-Stück hinlegt und klopft. Die wahren GegnerInnen kennen sich. Fechten ihre Spiele an vielen Abenden aus, immer wieder.

TouristInnen oder AnfängerInnen outen sich spätestens nach dem ersten Ball, wenn sie kein Fair Play spielen. Oder schon vorher. Wenn sie fragen, was ein Spiel kostet. Und aus der Mitte schießen oder die Stangen durchdrehen – geht gar nicht. Abgezogen werden sie dann, erst etwas tastend und dann gnadenlos. Wer unsympathisch ist, kriegt gezeigt: Du bist am Tisch nicht willkommen – zack, Tor, und noch eins. Und noch eins.

„Zu Null“ ist richtig bitter, denn eigentlich müssen VerliererInnen unter dem Kickertisch durchkriechen und einen Schnaps ausgeben. Doch da sehen die KönigInnen gern drüber hinweg, sonst wären sie ja ziemlich schnell ziemlich betrunken. Und manchmal, da gehen die Ungeübten wenigstens noch mit einem Tor vom Tisch: einem astreinen Nettelnburger. Peinlich zwar, aber doch besser so einen statt gar kein Tor. Und die KönigInnen lächeln müde, schauen sich an und zucken mit den Schultern.

Den einen oder die andere von ihnen trifft man jetzt bei der Tischfußball-WM, zu der Teams aus 41 Nationen nach Hamburg reisen. Ein paar der deutschen MitspielerInnen wurden einst – in der Kneipe entdeckt. Annika Stenzel

Tischfußball-WM: Mi, 12. 4., bis So, 16. 4., Hamburg, Kampnagel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen