■ Das Dilemma der RAF als Untergrundorganisation: Birgit Hogefeld outet Klaus S.
Spät, für manche in der linksradikalen Szene zu spät, hat Birgit Hogefeld den Schluß der Debatte über Klaus S. herbeigeführt. Sie hätte es früher tun können und so ihren politischen Freunden jene Demütigungen erspart, die diese sich selbst mit ihrer trüben „Kopf-in-den-Sand-Strategie“ der letzten Tage zufügten. Bis zuletzt konnte für einige nicht sein, was nicht sein durfte. Bis zuletzt wehrten sie sich gegen die Erkenntnis, daß Klaus S. nicht ihr Genosse war. Kein Zweifel, der V-Mann muß seine Doppelrolle über Jahre hinweg exzellent beherrscht haben. Nach seiner barschen Lügengeschichte vom Wochenende liegt die Vermutung nicht fern, daß ihm dies nur deshalb gelang, weil er seine doppelte Existenz tatsächlich bis an den Rand der Schizophrenie lebte. Bis zu jenem verhängnisvollen Sonntag von Bad Kleinen hat er sich wohl nie wirklich entschieden, ob er diesen Staat schützen oder ihn mitsamt seinen „Mördersäuen“ zur Hölle bomben wollte. Auch deshalb steht die Frage im Raum, ob denn seine staatlichen Auftraggeber wirklich wissen, wo sich Klaus S. zur Zeit versteckt hält. Hat er sich nach dem blutigen Einsatz ihrer „Obhut“ entzogen, in der verfehlten Hoffnung, doch nochmal Anschluß an die Szene zu finden? Jedenfalls ist schwer vorstellbar, was Birgit Hogefeld für wahr nimmt und dann zu recht als „dreist“ bezeichnet: Daß Klaus S. den Versuch seiner Reinwaschung auf Geheiß und unter den Augen des Verfassungsschutzes formuliert hat. Er war zu diesem Zeitpunkt längst endgültig „verbrannt“. Niemand wußte das besser als seine Auftraggeber, an dem Spitzel Klaus S. haben sie kein Interesse mehr.
Die Referenzen, mit denen die Szene den vermeintlichen Genossen Richtung RAF und bis hin zu Treffs mit Illegalen schleuste, waren offensichtlich bestens und von keinerlei Zweifel getrübt. Birgit Hogefeld macht die Wiesbadener Genossen dafür allein verantwortlich, wirft ihnen „Ungenauigkeiten und Fehler“ vor. Das Bemühen, den eigenen Anteil an dem Debakel aus dem Blick zu schieben, ist unübersehbar. Dabei hat sie das prinzipielle Problem, vor dem die Rote Armee Fraktion spätestens seit der Deeskalationserklärung vom April 1992 steht, präzise benannt: Wenn die RAF die „Öffnung zu allen fortschrittlichen Teilen der Gesellschaft“ wirklich will, wächst zwangsläufig die Gefahr der Entdeckung und der Einschleusung weiterer Spitzel. Illegalität in einem entwickelten Industriestaat bedeutet immer auch Isolation von der Gesellschaft. Insofern schließen sich Illegalität (wie die RAF sie immer noch praktiziert) und Öffnung weitgehend aus. Das Dilemma ist unüberwindlich, solange die RAF darauf besteht, wie bisher als Untergrundgruppe zu agieren. Gerd Rosenkranz
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