: Das Brutkastenprinzip
betr.: „Die Webcam hängt im Büro“, taz vom 11. 11. 00
Die Parallelität zu dem RTL-Spektakel ist unverkennbar. Erleben wir doch gerade in der zweiten Folge Big Brother Deutschland, dass es den Machern darum geht, sich neue TV-Stars zu erschaffen. Der „Nominater“ steht bereits als Deutschlands „Fernseh-Ekel“ bei den Managern von RTL unter Vertrag. Einige der Container-Bewohner werden uns sicherlich ebenfalls als Moderatoren oder als Talkgäste in den Wochen danach daran hindern, qualitatives Fernsehen zu genießen. Das Brutkasten-Prinzip funktioniert in unserer Gesellschaft. Doch auch nur, wenn es in einer Form von Prostitution verwirklicht wird.
Bei dem Berlin-Start-up berlincubate hängen die „Macher“ den eigentlichen Intern-Machern mit Aktienmehrheit im Nacken. Bei BigBrother sind es die RTL-Produzenten mit Werbe- und Fernsehverträgen. Das Publikum unterstützt dieses Marionettentheater. Kann unsere Medienlandschaft nur von solchen Skurrilitäten leben? Aus einer gewissen Distanz betrachtet, kommt hier eher ein Nullsummenspiel zutage. Diese Unmengen an Energie sollten doch eher auf wichtigere Dinge des Lebens umgelenkt werden. Wären die Massen denn nicht auch zu begeistern, wenn man sich an alte Tage des Tatendranges in Umwelt- und Entwicklungsprojekten erinnert? Wenn schon Voyerismus, dann bitte vor einem altruistischen Hintergrund ohne Ausbeutung und ohne seelische Schäden der Mitwirkenden. SVEN UNGEMEIN
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